Kein Schwarz-Weiß
Angesichts der wachsenden Weltbevölkerung, des steigenden Bedarfs nach Fleisch und hochwertigen Nahrungsmitteln, des zunehmenden Verbrauchs an Land und Ressourcen sowie des Verlusts von natürlichen Ökosystemen und Biodiversität, steht die Landwirtschaft vor einer schwierigen Aufgabe: Soll sie soweit wie möglich die Erträge steigern, möglicherweise auf Kosten der Umwelt, oder soll sie auf Biolandbau setzen, umweltschonend, aber mit geringeren Erträgen?
Die Studie
"Comparing the yields of organic and conventional agriculture" ist in der aktuellen Ausgabe von "Nature" erschienen (Abstract, sobald online).
Ganz so schwarz-weiß, scheint sich die Frage jedoch nicht zu stellen, behaupten nun Autoren um die Biologin und Geografin Verena Seufert von der McGill-Universität in Montreal. Zwar seien die Erträge des Biolandbaus generell geringer als im konventionellen, dies sei aber stark vom Kontext abhängig. Ein globaler Vergleich verschiedener Nutzpflanzen und Anbaumethoden zeige, dass die Erträge der Biolandwirtschaft zwischen fünf und 34 Prozent niedriger sein können. Unter bestimmten Bedingungen könne der Biolandbau also fast mit dem konventionellen mithalten.
Globaler Vergleich
Zwar habe es schon bisher viele Studien zur Frage des Ertragsvergleichs gegeben, schreiben die Autoren und Autorinnen, doch diese hätten nicht versucht, die Ergebnisse auf globaler Ebene zu vergleichen. Eine Studie aus dem Jahr 2007 hat dies erstmals versucht und kam sogar zu dem Schluss, dass Biolandbau in manchen Fällen die konventionelle Landwirtschaft bei den Erträgen überholen könnte. Doch diese Studie sei von zahlreichen Wissenschaftlern kritisiert worden: Manche der untersuchten Pflanzen wären gar nicht unter ernst gemeinten Biomethoden angebaut worden und der Vergleich zwischen den Erträgen sei zum Teil methodisch unsauber gewesen.
Für die aktuelle Studie wurden 66 Studien zu 34 verschiedenen Pflanzen verglichen. Die Studien wurden dabei so ausgewählt, dass organische Anbaumethoden den Gütesiegeln von Zertifizierungsinstitutionen entsprechen und dass die Ergebnisse der Studien methodisch vergleichbar sind. Durchschnittlich liefern diesem Vergleich zufolge Anbauflächen der organischen Landwirtschaft um ein Viertel weniger Ertrag.
Die feinen Unterschiede
Große Differenzen zeigen sich aber beim Blick aufs Detail: Besonders stark schwanken die Ergebnisse zum Ertragsvergleich bei Obst, Ölpflanzen, mehrjährigen Pflanzen und Hülsenfrüchten. Bei manchen Sorten sind die Ergebnisse aufgrund zu kleiner Stichproben mitunter auch nicht aussagekräftig.
Bei Obst und mehrjährigen Pflanzen können die Erträge des Biolandbau zudem über oder unter jenen des konventionellen liegen. Im Schnitt sind es für diese beiden Pflanzenarten nur drei bis elf Prozent weniger. Deutlich größer ist der Unterschied bei Getreide und Gemüse: Bei ihnen fällt die Ernte in der Biovariante um 26 bis 33 Prozent geringer aus.
Wesentliche Unterschiede zwischen organischem und konventionellem Landbau ergeben sich auch durch den Nährstoffhaushalt. So würden organische Systeme etwa stärker von zusätzlichem Stickstoff profitieren können. Zudem funktioniert organischer Anbau unter schwach sauren und basischen Bodenverhältnissen besser. Dies dürfte mit dem Phosphorhaushalt zusammenhängen, der unter stark basischen und sauren Bedingungen im organischen Landbau schwerer zu regeln sei.
Vielfalt erhalten
Der weltweite Vergleich bestehender Studien mache deutlich: Es gibt keinen eindeutigen Weg, einen klaren Gewinner im Streit um konventionellen und organischen Landbau zu ermitteln, schreiben die Autoren. Um die Landwirtschaft der Zukunft auf nachhaltige Beine zu stellen, müssten die Ursachen der geringeren Erträge im Biolandbau noch genauer untersucht werden. Zudem sei zu bedenken, dass die Erträge nur einen Teil der sozialen, ökonomischen und ökologischen Aspekte der Landwirtschaft ausmachen.
Angesichts der Ergebnisse ihrer Studie schlagen die Autorinnen und Autoren vor, dass sich die Menschheit eine Vielfalt an landwirtschaftlichen Techniken erhalten sollte, um damit leichter den steigenden Bedarf an Lebensmitteln mit gleichzeitig sinkender Umweltbelastung decken zu können. Und möglicherweise käme es auch einfach auf die richtige Mischung aus konventionellem und organischem Anbau sowie aus möglichen Hybridsystemen an.
Mark Hammer, science.ORF.at