Ihr Ergebnis: Konzentriert man sich zu wenig auf das Kaffeehäferl und zu sehr auf die Umwelt, werden die rhythmischen Gehbewegungen unterbrochen und die hin- und herschwappende Flüssigkeit bekommt jenen Energieschub, der sie über den Rand treten lässt.
Die Studie:
"Walking with coffee: Why does it spill?" ist in der "Physical Review E" erschienen (10.1103/PhysRevE.85.046117).
Komplexes Zusammenspiel
Rouslan Krechetnikov und sein Kollege Hans Mayer kamen auf ihre Forschungsidee bei der letztjährigen Fachkonferenz zu den "Dynamiken von Flüssigkeiten". Ständig fielen ihnen Fachkollegen auf, die mit Konferenzunterlagen und Kaffee die Gänge entlang tänzelten. Meist blieben aber alle Gleichgewichtsübungen vergeblich und die Papierstöße bekamen einige braune Flecken ab.
Dieses Alltagsphänomen in physikalische Parameter zu gießen, war gar nicht so einfach. Schließlich spielen zwei grundlegend unterschiedliche Faktoren zusammen: die Mechanik des menschlichen Gangs, der von Faktoren wie Alter, Gesundheit und auch Geschlecht abhängt. Und die Wissenschaft von der Bewegung von Flüssigkeiten, die von einem komplexen Zusammenspiel aus Beschleunigung, Drehmomenten und sonstigen äußeren Kräften bestimmt wird.
Versuchsanordnung mit Kaffee
Die Forscher entwarfen dennoch ein mathematisches Modell und starteten ein Experiment, um zu den Daten zu gelangen: Sie baten eine Versuchsperson, eine gerade Strecke mit unterschiedlicher Geschwindigkeit und einem befüllten Kaffeehäferl in der Hand zu gehen. Einmal sollte sich die Person auf die Tasse in der Hand konzentrieren, einmal einfach nur gerade aus schauen. Eine Kamera nahm die Bewegungen von Mensch und Häferl auf, ein kleiner Sensor in der Tasse maß die Flüssigkeitsbewegungen und den Moment des Überschwappens.
Sendungshinweis:
Physik als Thema einer Unterhaltungsserie wird auch in "The Big Bang Theory" geboten (ORF eins, 18.50 Uhr).
Die Frequenz des Vor- und Zurückbewegens von Flüssigkeiten wird von der Größe des Behälters vorgegeben. Wie die Physiker in ihrer Studie berichten, passten die Größe des durchschnittlichen Kaffeebechers und der Gang der Versuchsperson gut zueinander. Zwar begann die Flüssigkeit, in der Tasse zu hin- und herzuschwappen. Über den Rand trat sie aber erst, als der geschmeidige Bewegungsablauf gestört wurde.
Eine praktische Schlussfolgerung ließ sich aus der Studie ableiten: Zwischen oberem Rand der Flüssigkeit und Tassenrand sollte zumindest ein Achtel des Tassendurchmessers frei bleiben - bei gewöhnlichen Kaffeebechern ist das zirka ein Zentimeter. Und man sollte den Blick auf die Tasse richten. Ablenkung führt laut Physikern fast immer zu Flecken auf der Unterlage.
Kandidat für "Ig Nobel"?
Diese Ergebnisse mögen nicht allzu überraschend klingen, Matthew Turner, ein britischer Fachkollege von Krechetnikov und Mayer, hält sie in "Science Now" dennoch für wissenschaftlich wertvoll: Das mathematische Modell werde es Wissenschaftlern ermöglichen, den Effekt verschiedener Tassengrößen auf die Flüssigkeit zu überprüfen, ohne die Tassen tatsächlich herstellen zu müssen. Auch der Effekt von "Überschwapphemmern" wie Rillen könnte so getestet werden.
Andere Forscher wiederum bemängeln, dass nur der klassische Kaffeebecher, nicht aber die Cappuccino- oder Espressotasse überprüft wurde. In einem sind sie sich aber einig: Die Studie ist ein heißer Anwärter für die Verleihung der nächsten "Ig Nobel"-Preise, die für ernsthafte Forschung mit kuriosen Inhalten vergeben werden.
Elke Ziegler, science.ORF.at