Denn es sind ausgerechnet die rechtskonservativen Medien der "Klimaskeptiker" in den USA, die von Klimamodellen sprechen und versuchen, sie zu erklären - wenn auch mit der Absicht, ihre Irrelevanz zu beweisen, wie Karen Akerlof von der George Mason University in Fairfax/Virginia und Kollegen in einer Studie schreiben.
Der Artikel:
"Communication of climate projections in US media amid politicization of model science" von Karen Akerlof und Kollegen ist in "Nature Climate Change" erschienen.
Links:
- Wie funktionieren Klimamodelle?, Max-Planck-Gesellschaft
- Einführung in die Klimamodellierung, Uni Bern (pdf-Datei)
Ö1 Sendungshinweis:
Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 21.5., 13:55 Uhr.
Wie Klimamodelle funktionieren
Die Prognosen, die über die globale Erwärmung abgegeben werden, beruhen auf Klimamodellen: Computerprogramme, die die Klimadynamik aufgrund bekannter Daten aus der Vergangenheit simulieren. Klimamodelle sind heute gekoppelte Atmosphäre-Ozean-Modelle, wie die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik schreibt: "Darin werden Atmosphäre und Ozeane in ein dreidimensionales Gitter geteilt. Der Austausch an Masse und Energie zwischen benachbarten Gitterpunkten wird durch mathematische Gleichungen von Zeitschritt zu Zeitschritt gelöst. Dadurch erhält ein Model seine Dynamik. Die Modelle enthalten grundlegende physikalische Differentialgleichungen aus der Fluiddynamik, Hydrologie und Chemie." (Text und Grafik auf der ZAMG-Seite).
Die Daten, die zu Klimaprognosen führen, sind derart komplex und vielfältig, dass die Rechenarbeit für Computer zu den aufwändigsten Arbeiten überhaupt zählt. Als Resultate können sie keine exakten Zahlen liefern, sondern "nur" Spannbreiten künftiger Szenarien. Der aktuelle Bericht des Weltklimarats IPCC etwa geht davon aus, dass sich die globale Durchschnittstemperatur bis Ende des Jahrhunderts zwischen 1,1 und 6,4 Grad Celsius erhöhen wird - je nach Szenario.
Ein wichtiges Klimamodell, das vom Weltklimarat verwendet wurde, ist das Hadley Centre Coupled Model (HadCM3), das von der britischen Wetterbehörde Met Office entwickelt wurde.
Viele Texte zu Klimawandel, wenige zu Klimamodellen
So wichtig Klimamodelle für die Klimaforschung und damit für die Klimapolitik sind, so selten finden sie in den Massenmedien ihre Erwähnung: Das ist das Hauptergebnis einer Studie, die nun Karen Akerlof und ihre Kollegen vorgestellt haben. In einem ersten Schritt untersuchten sie dafür die vier wichtigsten nationalen Tageszeitungen der USA in einem Zeitraum von 1998 bis 2010: Wall Street Journal, USA Today, die New York Times und die Washington Post brachten es etwa im Jahr 2010 auf eine werktägliche Verbreitung von 5,3 Millionen Exemplaren.
Die Forscher suchten zum einen nach Texten, in denen die Worte "Klimawandel" oder "globale Erwärmung" vorkamen, zum anderen solche mit den Worten "Klimamodell" oder "Klimasimulation". Und dabei zeigte sich ein völliges Ungleichgewicht zugunsten der ersteren.
Besonders deutlich war das im Jahr 2007, dem Jahr, in dem der bisher letzte IPCC-Bericht veröffentlicht wurde und das Thema entsprechend medial präsent war: Damals erscheinen in den vier Zeitungen mehr als 4.000 Texte zum Thema "Klimawandel", aber nur 99 Texte, die das Wort "Klimamodell" enthielten. Auf niedrigerem Niveau war das in den anderen Jahren nicht anders, im Jahr 2010 etwa enthielten etwa nur zwei Prozent aller Klimawandelgeschichten Hinweise auf Klimamodelle.
Konservative Domäne
Dass das nicht nur statistische Beckmesserei ist, zeigt der zweite Schritt der Forscher, in dem sie Medien untersuchten, die von besonders politisch interessierten Menschen in Anspruch genommen werden. Dazu zählen Magazine wie das "Time Magazin" und "Newsweek", aber auch die tägliche Nachrichtensendung "PBS News Hour" und politische Radioshows wie jene des rechtskonservativen Moderators und Klimawandelskeptikers Rush Limbaugh (mit rund 14 Millionen Zuhörern täglich).
Es zeigte sich, dass im Schnitt doppelt so viele negative Kommentare über die Leistungsfähigkeit von Klimamodellen vorkamen wie positive. Wie nicht anders zu erwarten waren Kommentare wie "Ich glaube, dass das Klimasystem der wirklichen Welt viel stabiler ist als jenes dieser Klimamodelle" bei konservativen Medien wie der "Rush Limbaugh Show" oder der Zeitschrift "The National Review" am häufigsten verbreitet.
Überraschender und für Wissenschaftskommunikation entscheidender ist ein zweites Ergebnis dieser Analyse von politisch relevanten Medien. Die Forscher untersuchten nämlich auch, inwieweit der Versuch unternommen wurde zu erklären, was Klimamodelle überhaupt sind. Und da haben die konservativen und klimawandelskeptischen Medien wieder die Nase vorne. Drei der vier wichtigsten Quellen stammen aus diesem Umfeld. Sie bemühten sich deutlich häufiger die Hintergründe von Klimasimulationen zu beleuchten - wenn auch in der offenkundigen Absicht, die Unsicherheiten der Prognosen zu betonen.
Ein Auftrag für die Wissenschaftskommunikation
Was heißt das nun für die Wissenschaftskommunikation? Die Autoren um Karen Akerlof geben sich in ihrer Studie eher zurückhaltend. Die Tatsache aber, dass sich speziell die rechtsgerichteten Medien mit Klimamodellen beschäftigen, lege ihre zentrale Rolle für die Klimadebatte nahe, die von der "anderen Seite" bisher vernachlässigt wurde.
Knapp zwei Drittel der US-Bürger geben laut Umfragen an, dass Klimamodelle entweder zu ungenau sind, um die Zukunft vorherzusagen, oder dass sie nicht wissen, ob man ihnen vertrauen kann. In einer solchen Situation, "wo die meisten verwirrt oder skeptisch sind, könnte das Angebot erklärender Inhalte abseits von politischen Kommentaren und Meinungsträgern Menschen dabei helfen, ihre laienhaften Wissenschaftsmodelle zu überwinden." Und das könnte sich auch auf ihre Wünsche nach politischen Maßnahmen auswirken, wie die Forscher abschließend hoffen.
Lukas Wieselberg, science.ORF.at
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