In dem Moment wurde die Fürsorge für die Frau bzw. den Nachwuchs auch für die Männer die erfolgreichere Strategie, schreibt der Biologe und Mathematiker Sergey Gavrilets von der Universität Tennessee. Seiner Modellrechnung nach war das die Geburtsstunde dessen, was gemeinhin als "Kernfamilie" bezeichnet wird: Mann und Frau kümmern sich um den gemeinsamen Nachwuchs.
Die Studie:
"Human origins and the transition from promiscuity to pair-bonding" ist in den "Proceedings of the National Academy of Sciences" erschienen (DOI:10.1073/pnas.1200717109).
Promiskuitive Affen, monogame Menschen
Die Frage, warum die Affen noch immer der Promiskuität anhängen, die Menschen aber einen anderen Weg gewählt haben, beschäftigt die Forschung seit vielen Jahren. Denn auch bei den frühen Menschen galt wohl das "Haremsprinzip": Die ranghohen Männchen einer Gruppe paarten sich mit mehreren Weibchen und zeugten relativ viel Nachwuchs. Die rangniedrigeren Männchen verloren den Kampf um die Frauen und gingen oft leer aus.
Zahlreiche Thesen wurden auf den Markt geworfen, warum sich das Blatt irgendwann wendete und sich Frau und Mann zu einer zumindest zeitweise relativ stabilen Zweierbeziehung zusammenschlossen: Die Frauen hätten so verstreut gelebt, dass die Männer gezwungen waren, sich an ein weibliches Exemplar zu binden, postulierte die eine Studie. Monogamie habe den Nachwuchs vor Übergriffen durch "fremde" Männchen geschützt, die andere. Jüngere Untersuchungen sprechen eher davon, dass die Zweierbeziehung die Aufzucht des menschlichen Nachwuchses, der aufgrund seiner späten Geschlechtsreife als gemeinhin kompliziert gilt, erst ermöglicht habe.
Mehrere Simulationen
Ö1 Sendungshinweis:
Über die Studie berichtet auch Wissen Aktuell am 30.5. um 13:55.
Sergey Gavrilets fand all diese Überlegungen nicht überzeugend. Der Evolutionsbiologe und Mathematiker simulierte in seiner Studie verschiedene, Männern und Frauen zugeschriebene Verhaltensmuster. Durch statistische Auswertungen ermittelte der Forscher, wie sich Fruchtbarkeit, Überleben der Nachkommen und der Energieaufwand beider Geschlechter veränderten, wenn beispielsweise der Nachwuchs gemeinsam aufgezogen wurde, die Männer ihre Rivalen in der Gruppe bekämpfen mussten oder wenn sie Sex mit Nahrung "bezahlten".
Das Ergebnis: Die Zweierbeziehung, bei der ein Mann und eine Frau längerfristig zusammenbleiben, setzte sich erst dann durch, als der Forscher in seiner fiktiven Gruppe zwei spezielle Verhaltensweisen testete: Fürsorglichkeit als alternative Werbungsstrategie bei den Männern und eine aktive Partnerwahl durch die Frauen, wobei sie diejenigen Männer bevorzugten, die ihnen und ihrem Nachwuchs die besten Überlebenschancen boten.
Unterschätzter Einfluss der Frauen
"Sobald die Frauen begannen, Versorger zu bevorzugen, zahlte sich die Investition der rangniedrigeren Männer in diese alternative Werbungsstrategie statt der normalen Rangkämpfe aus", erklärt Gavrilets in seiner Studie. Die Frauen profitierten von der Fürsorge und blieben daher immer häufiger mit einem Partner zusammen.
Die ranghohen, erfolgsgewohnten Männer kamen immer weniger zum Zuge. Der weibliche Einfluss bei der Partnerwahl habe eine entscheidende Rolle für die menschliche Evolution gespielt, meint der Forscher. Viele bisherige Studien hätten dies unterschätzt.
Elke Ziegler, science.ORF.at