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Ein Paar weiblicher Zwillinge

Genetische Unterschiede bei Zwillingen

Sind Eigenschaften angeboren oder erworben? Die alte Frage von "nature or nurture" ist schon im Mutterleib nicht so einfach zu beantworten, wie eine aktuelle Studie zeigt. Forscher konnten dabei nachweisen, dass die Gene selbst von eineiigen Zwillingen bereits bei der Geburt unterschiedlich aktiv sind.

Molekularbiologie 16.07.2012

Offensichtlich kann es selbst in der gleichen Gebärmutter verschiedene Umweltbedingungen geben, die sich auf das Erbgut auswirken, schreiben die Forscher um Jeffrey Craig vom australischen Murdoch Childrens Research Institute (MCRI) in einer Studie, die in der Fachzeitschrift "Genome Research" erscheinen soll.

Epigenetik und DNA-Methylierung

Bei der Forschung handelt es sich um das jüngste Beispiel der in der Biologie immer wichtiger werdenden Disziplin der Epigenetik. Diese befasst sich mit der Aktivität von Genen, die nicht in der Gensequenz festgelegt sind und dennoch auch auf Tochterzellen vererbt werden können. Epigenetische Vorgänge regulieren die DNA, verändern sie aber nicht. Sie sind stark durch die Umwelt geprägt - etwa von dem, was ein Organismus isst oder erlebt.

Ö1 Sendungshinweis:

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 16.7., 13:55 Uhr.

Der bekannteste epigenetische Mechanismus lautet "DNA-Methylierung". Dabei handelt es sich um einen chemischen Vorgang im Inneren von Körperzellen, der die Funktion von Genen beeinflusst. Methylgruppen - kleine Moleküle aus Kohlenstoff- und Wasserstoffatomen - lagern sich an bestimmte Stellen der Erbsubstanz DNA an. Das ändert zwar nicht die chemische Sequenz der Gene, sehr wohl aber ihre Aktivität. D.h. je nachdem wie die Umgebung aussieht, werden bestimmte Gene aktiv oder stillgelegt.

Eineiige Zwillinge, dennoch andere Genaktivität

In der aktuellen Studie haben die Forscher nach eigenen Angaben erstmals die methylierten Gene von Blut und Gewebe der Nabelschnur eineiiger und zweieiiger Zwillinge miteinander verglichen. Dabei zeigten sich bei beiden - auch bei den Eineiigen - bereits bei der Geburt Unterschiede in der Genaktivität.

"Das lässt sich nur durch Ereignisse erklären, die den einen Fötus, nicht aber den anderen betroffen haben", erklärt Craig in einer Aussendung. Obwohl sie über die idente DNA verfügen und sich in der gleichen Gebärmutter entwickelt haben, scheint es individuelle Umweltbedingungen gegeben zu haben, die zu Unterschieden im epigenetischen Profil der beiden Föten geführt haben.

Die methylierten Gene, die die Forscher fanden, waren mit dem Geburtsgewicht der Babys verknüpft und spielen eine wichtige Rolle bei Wachstum, Stoffwechsel und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Dies spreche für einen prinzipiellen Zusammenhang zwischen geringem Geburtsgewicht und dem Risiko, später an bestimmten Krankheiten zu leiden. Das epigenetische Profil zu Beginn des Lebens könnte somit ein gutes Werkzeug für Krankheitsprognosen sein, hoffen die Mediziner.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at

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