Ungefilterte Weitergabe
Das Erbgut von Mitochondrien, den Kraftwerken der Zelle, enthält zahlreiche dauerhafte Veränderungen, die nur für Männchen schädlich sind. Da sie dem weiblichen Organismus nichts anhaben, werden sie bei der Weitergabe von der Mutter an ihren Nachwuchs nicht herausgefiltert. Sie reichern sich mit der Zeit im Mitochondrien-Genom an.
Die Studie in "Current Biology":
"Mitochondria, Maternal Inheritance, and Male Aging" von M. Florencia Camus et al., erschienen am 2. August 2012.
Bei Fruchtfliegen hätten viele dieser Mutationen die Lebensdauer der Männchen signifikant verkürzt, berichten die Forscher. Diese Anreicherung habe demnach größere Auswirkungen für die Gesundheit und Lebensdauer von Männern als bisher angenommen. Das gelte wahrscheinlich nicht nur für Fruchtfliegen, sondern generell im Tierreich.
Weibliche Erblinie
Alle Tiere und auch der Mensch besitzen Mitochondrien", erklärt Studienleiter Damian Dowling von der Monash University in Australien. Diese Kraftwerke der Zelle wandeln Nährstoffe in Energie um und liefern so den Treibstoff für alle Körperprozesse. Sie spielen aber auch für das Altern eine wichtige Rolle.
Ö1 Sendungshinweis:
Über die Studie berichtet auch Wissen Aktuell am 3.8. um 13:55.
Im Gegensatz zu anderen Zellbestandteilen besitzen die Mitochondrien ein eigenes kleines Genom, das unabhängig vom Zellkern über die weibliche Eizelle weitergegeben wird. "Kinder bekommen Genkopien von beiden Eltern, aber das Mitochondrien-Erbgut erhalten sie nur von ihrer Mutter", erklärt Dowling.
Nach Ansicht der Wissenschaftler ist es naheliegend, dass sich ähnliche, nur beim männlichen Geschlecht wirkende Mutationen auch im Mitochondriengenom anderer Tiere angereichert haben. Sie könnten erklären, warum im Tierreich generell die Männchen meist schneller altern als die Weibchen.
Der Evolution entkommen
Weitere Analysen zeigten, dass nicht einige wenige große Mutationen für diesen Effekt verantwortlich waren, sondern unzählige kleinere. Diese müssen sich im Laufe von mehr als 1.000 Generationen angesammelt haben, wie die Forscher berichten.
Normalerweise merzt die Evolution ungünstige Genveränderungen aus, da ein Tier krank wird oder stirbt und deshalb keine Nachkommen hat. Die Veränderungen im Mitochondrien-Genom schränken aber nur die Lebensdauer der Männchen ein, nicht der Weibchen. "Diese Mutationen konnten daher quasi unbemerkt durch den Filter der natürlichen Selektion schlüpfen", erklärt Dowling.
science.ORF.at/APA/sda