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Ein Mann steht hinter Gefängnisgittern

Gewinnen ist nicht alles

Das "Gefangenendilemma" ist ein Klassiker der Spieltheorie. Es zeigt, dass die Maximierung des eigenen Nutzens nicht immer vorteilhaft ist. Wiederholt sich das Spiel, kann das zugrunde liegende Dilemma sogar umgangen werden. Doch die vermeintlich siegreiche Strategie setzt sich auf lange Sicht dennoch nicht durch.

Spieltheorie 20.08.2012

Von Banken bis Klima

Über Jahrzehnte hinweg haben Forscherinnen und Forscher mit dem Gefangenendilemma höchst unterschiedliche Aspekte der Welt erklärt: die Politik des Kalten Krieges, Verhandlungen zum Klimaschutz, Psychologie und schließlich die evolutionären Ursprünge von Kooperation. Zwei aktuelle Studien geben nun weitere Einblicke, wie das Gefangenendilemma funktioniert.

Doch zunächst zum Original des Spiels selbst: Zwei vermeintliche Verbrecher werden von der Polizei gefasst und getrennt verhört. Leugnen beide, bekommen sie eine geringe Strafe. Gesteht einer und belastet den anderen, während letzterer leugnet, geht der Geständige frei und der andere bekommt die Höchststrafe. Gestehen beide, bekommen beide die gleiche, mittlere Strafe. Am besten wäre für beide, zu leugnen. Doch in der Hoffnung frei zu gehen, gestehen beide - und fassen die Strafe aus.

Wie Du mir, so ich Dir

Doch dieses Dilemma könnte umgangen werden - Information vorausgesetzt: Im Mai dieses Jahres haben der Bioinformatiker William H. Press von der Universität Texas und Freeman J. Dyson von der Princeton University eine bisher unbekannte Strategie veröffentlicht: Wenn das Spiel mehrfach wiederholt wird, und ein Spieler immer die Aktion des anderen aus der Vorrunde kennt und kopiert, kann er das Strafausmaß des anderen bestimmen - und "gewinnt" das Spiel.

Dies funktioniert allerdings nur dann, wenn der zweite Spieler von dieser Strategie nichts weiß. Denn wenn er sie mitbekommt, kann er dafür sorgen, dass beide die Maximalstrafe ausfassen. Damit wird das Gefangenendilemma zu einer Variante des Ultimatumspiels.

Bei diesem bekommt ein Spieler ein bestimmtes Gut und muss einem zweiten einen beliebigen Teil davon abgeben. Den Rest darf der erste Spieler behalten - aber nur dann, wenn der zweite Spieler das Angebot annimmt. Betrachtet dieser das Offert als unfair und lehnt es ab, gehen beide Spieler leer aus. Der erste Spieler ist zwar im Vorteil, aber der zweite Spieler kann gewissermaßen den ersten für sein Verhalten bestrafen.

Evolutionär nicht stabil

Obwohl diese "Wie-Du-mir-so-ich-Dir"-Strategie auch beim Gefangenendilemma naheliegend wäre, wird sie scheinbar nur selten angewandt. Die beiden Bioinformatiker Christoph Adami und Arend Hintze von der Michigan State University haben nun untersucht, ob diese Strategie evolutionär stabil ist, wie sie es nennen - ob sie sich also gegen andere Strategien durchsetzt. Adami und Hintze kommen zu dem Schluss, dass dies nicht der Fall ist.

Wenn die Strategie auftritt, dann nur für kurze Zeit, weil meist andere Taktiken für einzelne Spieler nützlicher sind. Diese setzen sich im Wettstreit der Strategien gewissermaßen evolutionär durch. Kurzfristig könne die Strategie des Kopierens nur dann überleben, wenn einige Spieler wissen, dass andere sie nicht verwenden. Dann kann diese Gruppe von Spielern die Strategie gegen die anderen einsetzen. Voraussetzung dafür ist aber, dass sie wissen, wie sich die anderen verhalten.

Andere Spieler werden jedoch wiederum daran arbeiten, dass ihr Verhalten nicht so leicht durchschaut werden kann. Es entsteht gewissermaßen ein evolutionäres Wettrüsten der Strategien, bei der die "Wie-Du-mir-so-ich-Dir"-Taktik unterliegt.

science.ORF.at

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