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Mutter mit Kind vor Sonnenuntergang

Späte Geburt schadet Kindern nicht

Das durchschnittliche Alter, in dem Frauen Kinder bekommen, steigt in den Industrienationen stetig an. Entgegen früheren Annahmen führt das nicht zu negativen gesundheitlichen Folgen für den Nachwuchs, wie nun eine Studie deutscher Demografen zeigt.

Demografie 06.09.2012

Nicht das Alter der Mutter, sondern ihre Bildung und die Anzahl der Jahre, die sie noch mit ihrem Kind gemeinsam erlebt, bestimmt die Gesundheit, berichten Mikko Myrskylä vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung in Rostock und Kollegen.

Bisher war die Annahme weit verbreitet, dass der erwachsene Nachwuchs spät gebärender Mütter häufiger krank ist, weil der Körper der Frau zum Zeitpunkt der Geburt schon abgebaut hatte - etwa weil aus Altersgründen die Eizellen schlechter oder die Plazenta schwächer geworden sind.

Die Studie:

"Maternal Age and Offspring Adult Health: Evidence from the Health and Retirement Study" von Mikko Myrskylä und Kollegen ist am 28.8 in der Fachzeitschrift "Demography" erschienen.

Durchschnittliches Gebäralter von 30,2 Jahren

Das Durchschnittsalter von Frauen bei der Geburt ihrer Kinder steigt seit Jahrzehnten kontinuierlich an, wie etwa der Statistik Austria zu entnehmen ist. 1991 waren die Österreicherinnen beim ersten Kind noch statistische 25,1 Jahre alt, 2001 waren es 27,2 und im Jahr 2011 28,7 Jahre. Das durchschnittliche Gebäralter stieg von 27,2 Jahren (1991) auf 29,1 (2001) und erreichte im Vorjahr mit einem Wert von 30,2 Jahren seinen bisherigen Höhepunkt.

Dass dies keine gesundheitlichen Auswirkungen hat, zeigen nun die Berechnungen der Forscher. Kinder, deren Mütter bei der Geburt 35 bis 44 Jahre alt waren, sind ihnen zufolge als Erwachsene nicht häufiger krank als die von Müttern im Alter 25 bis 34.

"Es ist zwar leider weiterhin richtig, dass im fortgeschrittenen Mütteralter die Wahrscheinlichkeit für Fehlgeburten und Phänomene wie das Down-Syndrom ansteigt. Für das Erwachsenenalter der Kinder scheinen frühe Geburten aber bedenklicher zu sein als späte", erklärt Myrskylä in einer Aussendung der Max-Planck-Gesellschaft.

Kommen die Kinder zur Welt, bevor die Mutter 25 wird, so Myrskyläs Analyse, sind sie später kränker, sterben früher, werden weniger groß und sind öfter übergewichtig.

Eine Frage der Berechnung

Der Max-Planck-Forscher kam zu diesen Ergebnissen, indem er die Gesundheitsdaten von über 18.000 US-Amerikanerinnen um die tatsächlichen Einflüsse bereinigte, die einen negativen Effekt des fortgeschrittenen Mütteralters vorgaukeln - nämlich Bildungsstand und Lebensspanne der Mutter. Rechnete er diese Faktoren nicht heraus, waren die erwachsenen Kinder wirklich kränker, wenn die Frauen später Mutter wurden: Der Nachwuchs von 35- bis 44-Jährigen schien dann über zehn Prozent mehr Krankheiten zu bekommen als der von 25- bis 34-Jährigen.

In der bereinigten Analyse schrumpfte der Krankheitseffekt auf unter fünf Prozent. Gleichzeitig verlor er seine statistische Signifikanz. Der schädliche Effekt des steigenden Alters für Mütter bis 45 Jahre löst sich damit quasi in Luft auf. "Unsere Daten legen nahe: Was auf den ersten Blick aussieht wie der negative Einfluss eines fortgeschrittenen Mütteralters, ist ein Scheineffekt, hinter dem tatsächlich steckt, welchen Bildungsstand die Mutter hat, und in welchem Alter das Kind die Mutter verliert", sagt Myrskylä.

Entscheidend: Bildung und Lebensspanne

Für jüngere Mütter ergibt sich ein anderes Bild: Je eher die Frauen gebaren, desto kränker wurde der Nachwuchs. So litten die Kinder von 20- bis 24-jährigen Müttern unter fünf Prozent mehr Krankheiten als die der 25- bis 34-Jährigen. Für 14- bis 19-jährige Frauen waren es sogar 15 Prozent. Diese Ergebnisse sind signifikant, und ändern sich nicht, wenn man den Bildungsstand der Mutter oder andere Störfaktoren herausrechnet.

Entscheidend für die spätere Gesundheit der Kinder waren die Bildung der Mutter, und wie viele Jahre sie mit ihrem Kind noch zusammen erlebte: Je früher ein Kind seine Mutter verlor, desto kränker wurde es später. Das könnte an der psychischen Erschütterung durch den frühen Verlust der Mutter liegen, oder daran, dass sie das Kind kürzer wirtschaftlich und sozial unterstützen konnte.

Wie der Fehlschluss entstanden ist

Die meisten Studien zu diesem Forschungsgebiet untersuchen Frauen, die im frühen 20. Jahrhundert geboren wurden - auch die von Myrskylä. Für jüngere Mütterjahrgänge lässt sich die Gesundheit des erwachsenen Nachwuchses noch nicht erfassen. Vor hundert Jahren starben die Menschen aber viel früher als heute, und das Risiko, jung ein Waise zu werden, war deutlich höher. Seitdem ist die Lebenserwartung aber vor allem in den entwickelten Ländern stark gestiegen und die Generationen erleben viele Jahrzehnte gemeinsam. Das Risiko, früh die Mutter zu verlieren, ist darum für heutige Kinder kaum mehr relevant.

Auch heute noch entscheidend ist die Bildung der Mutter. Viele Forschungsarbeiten belegen: Je schlechter ihre Ausbildung, desto kränker sind die erwachsenen Kinder. Gleichzeitig galt im frühen 20. Jahrhundert, als die heute alten Kinder geboren wurden: Weniger gebildete Eltern bekamen bis in höhere Mütteralter weitere Kinder, während bei besser gebildeten weniger Kinder im höheren Alter nachkamen.

So kam es zu dem Fehlschluss, ein höheres Mütteralter wäre schädlich. Dabei ist es die schlechtere Bildung der Eltern. Auch dieser Alterseffekt gilt für heute geborene Kinder nicht mehr, da sich der Zusammenhang zwischen Mütteralter und Bildung umgedreht hat: Inzwischen gründen gebildetere Frauen später eine Familie.

science.ORF.at

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