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Momentaufnahmen eines Films, der zeigt, wie ein Quanteninterferenzmuster aus einzelnen Phthalocyanin-Molekülen entsteht

Versuch mit vergesslichen Quanten

Physiker der TU Wien haben Quanten beim "Vergessen" zugesehen. Das Experiment beleuchtet die Zwischenwelt von Ordnung und Unordnung - und könnte dereinst für Quantencomputer wichtig sein.

Physik 07.09.2012

In ihren Experimenten brachten die Wiener Forscher ein Quantengas auf Temperaturen knapp über dem absoluten Nullpunkt von minus 273,15 Grad und teilten dieses mit Hilfe eines Atomchips in zwei Teile. Durch diesen Vorgang entstand ein geordneter Zustand, so ähnlich wie auch Wassermoleküle im Eis in Reih und Glied auftreten.

Wie beim Schmelzen geht allerdings der geordnete Anfangszustand der Atome mit der Zeit verloren - das System "thermalisiert", sagen die Physiker. Das heißt, es verliert gewissermaßen die Erinnerung an den Anfangszustand.

Verweile doch, Ordnung!

Die Studie

"Relaxation and Prethermalization in an Isolated Quantum System", Science online (doi: 10.1126/science.1224953).

Die Ordnung im System kann man überprüfen: und zwar, indem man die beiden geteilten Atomwolken wieder zusammenführt. Bei der Überlagerung der beiden Hälften des Systems, bildet sich ein Interferenz-Muster, also sich überlagernde Wellen mit Verstärkungen und Auslöschungen.

"Die Form dieses Interferenz-Musters zeigt, dass die beiden Atom-Wolken nach wie vor nicht 'vergessen' haben, dass sie ursprünglich aus ein und derselben Wolke hervorgegangen sind", sagt Studienautor Jörg Schmiedmayer vom Vienna Center for Quantum Science and Technology.

Mit der Zeit streben die geteilten Atomwolken allerdings in ein thermisches Gleichgewicht und die Ordnung der Interferenz-Muster nimmt ab. Das passiert nicht sofort: Die Ordnung verweilt "noch etwa zehn Millisekunden in einem Zwischenstadium - dem sogenannten prä-thermalisierten Zustand", sagt Michael Gring, ein Co-Autor der Studie.

Hilfe für Quantencomputer

Mit solcher Genauigkeit wurde dieser Vorgang bisher noch nicht analysiert. Einige theoretische Überlegungen gab es zwar schon, "wir haben aber das erste wirkliche Experiment dazu", so Gring.
Die Wissenschaftler glauben, hier einem fundamentalen Phänomen in der Quantenfeldtheorie auf der Spur zu sein, das noch in vielen anderen Systemen eine Rolle spielen könnte. Quanten-Experimente können nämlich niemals am absoluten Nullpunkt durchgeführt werden - mit den Auswirkungen der Temperatur haben die Physiker immer zu kämpfen.

Das gilt auch für einen künftigen Quantencomputer, wo man verhindern muss, dass die Wärme zum Verlust von Ordnung und somit von Information führt. Gring: "Wenn man weiß, wie das in einem Quantensystem abläuft, könnte man Ideen entwickeln, um das zu verhindern".

science.ORF.at/APA

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