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Lärchen- und Pinienwald in Nordchina

Adieu Fichte, willkommen Korkeiche!

Die Veränderungen von Temperatur und Niederschlag durch den Klimawandel werden die Wälder Europas laut Studie immer stärker südländisch prägen. Das werde nicht nur ökologische, sondern auch ökonomische Auswirkungen haben: Der wirtschaftliche Wert der Wälder könnte sich bis ins Jahr 2100 halbieren.

Klimawandel 24.09.2012

Die Einbußen würden je nach Szenario mehrere hundert Milliarden Franken betragen, berichtet ein internationales Forscherteam unter Schweizer Leitung. Die Baumartenverschiebung sei deshalb nicht nur für Tiere und Pflanzen prekär, deren Lebensraum schwindet, sondern auch für die Forstwirtschaft, heißt es in der Studie.

Die Studie:

"Climate change may cause severe loss in the economic value of European forest land" ist am 23. September 2012 im Fachblatt "Nature Climate Change" erschienen (doi:10.1038/nclimate1687).

Verteilung modelliert

"Auf bis zu 60 Prozent der Waldfläche Europas könnten nur noch mediterran geprägte Eichenwälder mit niedrigem Ertragswert vorkommen", erklärt Studienleiter Marc Hanewinkel von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL. Das Forscherteam aus der Schweiz, Deutschland, Holland und Finnland hat nun erstmals anhand von wirtschaftlichen Kennzahlen für ganz Europa berechnet, wie hoch die zu erwartenden Verluste sein könnten.

Sie modellierten hierfür die zukünftige Verteilung von 32 Baumarten auf der gesamten Waldfläche Europas, die etwa zwei Millionen Quadratkilometer beträgt. Das ist dreieinhalb Mal die Fläche Frankreichs. Als Rechenbasis dienten drei der offiziellen Szenarien zum Klimawandel des internationalen Klimarats IPCC - ein mildes, ein gemäßigtes und ein extremes.

Kork- und Steineiche statt Fichte

Ö1 Sendungshinweis:

Über diese Studie berichtet auch "Wissen Aktuell" am 24. September 2012 um 13.55 Uhr.

Der Befund war deutlich: An Kälte und mäßig feuchte Böden angepasste Baumarten wie die Fichte, die heute einen großen Teil des wirtschaftlichen Werts der Wälder in Europa ausmacht, werden sich vor allem nach Nordeuropa und in die höheren Lagen der Alpen zurückziehen, schreiben die Forscher.

Dafür rücken langsam wachsende, an Trockenheit angepasste mediterrane Arten wie die Kork- und Steineiche nach Norden vor. Sie könnten langfristig im Schnitt ein Drittel der Waldfläche ausmachen statt wie heute elf Prozent - beim stärksten Klimawandel-Szenario sogar zwei Drittel.

Der Unterschied, ob eine 30-Meter-Fichte oder eine nur zehn Meter hohe Eiche geerntet werden kann, ist enorm: Je nach Klimaszenario könnte der europäische Wald zwischen 14 und 50 Prozent an Wert verlieren. Europaweit bedeutet das Verluste von 72 bis 820 Milliarden Franken (59,45 Mrd. bis 677,13 Mrd. Euro).

Weniger Absorption

Der Wechsel der Baumarten wird außerdem das Klima belasten, denn die langsam wachsenden, mediterranen Wälder absorbieren weniger Kohlenstoff als die heutigen Wälder, wie die WSL schreibt. Hinter solchen Prognosen stünden stets viele Annahmen, erklärt Forstökonom Hanewinkel. Am unklarsten sei, ob die angenommenen Klimaszenarien tatsächlich so eintreten werden.

Als Gegenmaßnahmen schlagen die Forscher vor, bei Anpflanzungen vermehrt außereuropäische oder mediterrane Baumarten zu wählen, die an Trockenheit und Wärme angepasst sind. Erfahrungen gibt es in West- und Mitteleuropa mit der Douglasie, in Frankreich mit der Atlas- Zeder und in Südeuropa mit diversen Föhren- und Eukalyptusarten.

science.ORF.at/APA/sda

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