Die Entscheidung gab das Karolinska-Institut Montagvormittag in Stockholm bekannt.
Grundlage in den 60er Jahren geschaffen

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Die Medizinnobelpreisträger 2012 John Gurdon und Shinya Yamanaka
Links:
- John B. Gurdon
- Shinya Yamanaka
- Center for iPS Cell Research and Application
- Nobel Prize
- Karolinska-Institut
- Nobelpreis für Medizin (Wikipedia)
Drei Arten von Stammzellen:
Auf Stammzellen konzentrieren sich viele Hoffnungen der Medizin. Sie sind noch nicht auf eine besondere Aufgabe festgelegt und können damit prinzipiell zu allen Zellentypen werden.
Embryonale Stammzellen sind ethisch umstritten, weil sie aus frühen Embryonen stammen, die bei ihrer Gewinnung zerstört werden. Sie sind noch nicht auf eine endgültige Aufgabe festgelegt. Der Einsatz birgt aber Risiken: Wegen des enormen Teilungs- und Entwicklungspotenzials kann es zu unkontrollierten Wucherungen kommen. Ob man die Zellen dazu bringen kann, dass sie im Körper nur und genau das tun, was sie sollen, muss sich noch erweisen.
Induzierte pluripotente Stammzellen (ipS-Zellen) entstehen durch die Rückprogrammierung von Körperzellen. Sie besitzen die wichtigsten Eigenschaften embryonaler Stammzellen - und sind ethisch unbedenklich. Pluripotent werden Zellen genannt, die sich zu jedem Zelltyp eines Organismus differenzieren, aber keinen gesamten Organismus bilden können.
Adulte Stammzellen finden sich an vielen Stellen als natürliches Reservoir im Körper. Im Knochenmark etwa entstehen daraus immer neue Blutzellen. Auch in der Leber, der Bauchspeicheldrüse und im Hirn gibt es sie. Allerdings haben sie ein eingeschränktes Entwicklungspotenzial. Die Transplantation von Knochenmark gegen Blutkrebs (Leukämie) ist eine Therapie mit adulten - erwachsenen - Stammzellen.
- Eizellen aus Stammzellen gezüchtet
- Multi- statt pluripotente Stammzellen
- "Jungbrunnen" macht aus Haut embryonale Stammzellen
- Mäusezellen werden zu embryonalen Stammzellen
Ö1-Sendungshinweise:
Die Ö1-Journale und Ö1-"Wissen aktuell" berichten in der "Nobelpreiswoche" von 8. bis 12. Oktober über alle Auszeichnungen.
Die beiden Forscher zeigten, dass normale Körperzellen in einen pluripotenten Zustand versetzt werden können. Pluripotenz ist die Fähigkeit, sich in jeden Zelltyp entwickeln zu können.
Die Grundlagen dafür legte John Gurdon (geboren 1933) von der Universität Cambridge bereits 1962. In einem klassischen Experiment bewies er damals, dass die Spezialisierung von Körperzellen umkehrbar ist. Er ersetzte den unreifen Zellkern einer Froscheizelle durch den Kern einer reifen Darmzelle; aus der Eizelle konnte sich eine normale Kaulquappe entwickeln.
Die Erbsubstanz der erwachsenen Körperzelle hatte also offensichtlich alle Informationen enthalten, die nötig waren, um alle Zellen des Frosches zu entwickeln. Er wies damit erstmals nach, dass das Klonen von adulten Zellkernen möglich ist. Heute zählt diese Technik zum Standardrepertoire von Klonexperimenten.
Auf diesen Arbeiten aufbauend zeigte Shinya Yamanaka (geboren 1962) von der Kyoto-Universität in Japan mehr als 40 Jahre später, wie sich erwachsene Körperzellen zu Stammzellen - also noch nicht spezialisierten Zellen - umprogrammieren lassen. 2006 zeigte er die richtige Rezeptur: Die Zugabe von nur vier Extragenen reicht demzufolge aus, um die dann "induziert pluripotent" genannten Stammzellen zu erzeugen.
Umkehr der Embryonalentwicklung
Seit diesem Durchbruch sind die Fachjournale voll von Arbeiten mit diesen "ipS" und verwandten Themen: So zeigten Forscher etwa, dass man Zelltypen auch direkt ineinander umwandeln kann, Bindegewebszellen in Neuronen oder Blutzellen etwa.
Dass so etwas möglich ist, widerspricht einem jahrelang akzeptierten Modell der Embryonalentwicklung. Demnach läuft nämlich die Ausdifferenzierung der Zelltypen, ausgehend von der Eizelle, so ähnlich ab, wie wenn eine Kugel einen Berg hinabrollen würde. Die Kugel bewegt sich diesem Bild zufolge immer bergab und schwenkt irgendwann in ein Tal ein, aus dem sie nicht mehr hinauskommt.
Eine ausdifferenzierte Zelle, eine Hautzelle etwa, sollte demnach immer eine Hautzelle bleiben. Unter natürlichen Umständen ist das auch so, doch im Labor lässt sich das entwicklungsbiologische Schicksal aushebeln: Dank Yamanaka und Gordon rollt die Kugel nicht nur bergauf ("induzierte Pluripotenz"), sie kann sogar direkt von Tal zu Tal springen ("Bindegewebe wird zum Nerv").
Stammzellen - Herkunft und Therapieanwendungen

APA
"Eine enorme Ehre"
Yamanaka ist ursprünglich Chirurg, wechselte aber in die Forschung. Gurdon arbeitet seit 1972 an der britischen Universität Cambridge. Im schwedischen Radio äußerte er sich "überrascht und sehr dankbar" dafür, dass ihm der Nobelpreis für eine vor so langer Zeit gemachte Arbeit zuerkannt wurde. Zugleich würdigte er Yanamakas "fantastische Arbeit".
Der Japaner bezeichnete die Verleihung des Medizinnobelpreises an ihn in einer ersten Reaktion als "enorme Ehre". Es sei aber auch eine gewaltige Ermutigung für ihn selbst, seine Kollegen und alle Wissenschaftler, die mit iPS-Zellen arbeiten, die Forschungen fortzusetzen, wird Yamanaka in einer Stellungnahme auf der Website des Center for iPS Cell Research and Application (CiRA) der Universität Kyoto zitiert. Er werde mit seinen Kollegen härter arbeiten, um effektive Medikamente und neue Therapien zu entwickeln.
Im Vorjahr postume Vergabe
Der Nobelpreis für Physiologie und Medizin ist wie alle Preise heuer mit acht Millionen schwedischen Kronen (940.000 Euro) dotiert. Das Stiftungskomitee hatte die Preissumme aus wirtschaftlichen Gründen gegenüber der Vergangenheit um 20 Prozent herabgesetzt (ehemals zehn Millionen Kronen bzw. 1,088 Millionen Euro).
2011 war der Nobelpreis für Physiologie und Medizin an die Immunologen Ralph M. Steinman (geboren in Kanada), Jules A. Hoffmann (geboren in Luxemburg) und Bruce A. Beutler (USA) gegangen. Sie hatten wichtige Mechanismen der Aktivierung des körpereigenen Abwehrsystems entdeckt. Steinman war allerdings wenige Tage vor der Zuerkennung in New York gestorben. Die Juroren hatten zum Zeitpunkt der Bekanntgabe ihrer Entscheidung davon nicht gewusst. Der Preis wurde postum vergeben.
Beginn des Nobelpreisreigens
Mit der Bekanntgabe der Auszeichnung für Medizin hat der diesjährige Reigen der Nobelpreise begonnen. Am Dienstag wird die Auszeichnung für herausragende Leistung in der Physik vergeben, am Mittwoch der Preis für Chemie. Der mit besonderer Spannung erwartete Träger des Friedensnobelpreises wird am Freitag in Oslo verkündet.
Am Montag kommender Woche wird der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften bekanntgegeben. Der Termin für die Bekanntgabe des Literaturnobelpreisträgers in Oslo wurde wie üblich noch nicht mitgeteilt, sie müsste traditionsgemäß aber am Donnerstag erfolgen.
Die Nobelpreise werden traditionell am 10. Dezember überreicht, dem Todestag des Stifters Alfred Nobel (1833 bis 1896).
science.ORF.at/APA/dpa/AFP
Die Medizinnobelpreise der vergangenen Jahre: