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Steak mit Tomaten

Yin und Yang für den Gaumen

Warum passt Rotwein so gut zum Steak? Forscher aus Frankreich und den USA wissen die Antwort: Das Fett des Fleisches benötige einen sinnlichen Gegenspieler. Neben Weinen seien auch Tee und eingelegtes Gemüse für die geschmackliche Balance geeignet.

Essen 09.10.2012

Tannine im Rotwein hinterlassen auf Zunge und Gaumen bekanntlich ein "pelziges" Gefühl. Dabei handelt es sich um Gerbstoffe, die aus dem Holz der Weinfässer, den Traubenkernen und der Traubenhaut stammen. Was Weinkenner mit Begriffen wie "trocken" und "Holzton" bezeichnen, kennen auch Mediziner: Sie nennen es "Adstringenz".

Adstringente Substanzen ziehen Gewebe - wie etwa die Mundschleimhaut - zusammen und bauen jene Inhaltsstoffe des Speichels ab, die für eine schmierige Konsistenz sorgen. Laut Paul Breslin steht dahinter ein allgemeines Prinzip. Der Psychologe vom Monell Chemical Senses Center in Philadelphia nennt es das "Yin und Yang des Essens":

Die Studie

"Opponency of astringent and fat sensations", Current Biology (doi: 10.1016/j.cub.2012.08.017).

Es sei kein Wunder, dass fetthaltige Lebensmittel quer durch alle Kulturen mit Wein, Tee, Saurem und Bitterem kombiniert würden. Der eingelegte Ingwer verhalte sich zum Sushi wie der Rettich zur Weißwurst. Die Vinaigrette mache von diesem Prinzip ebenso Gebrauch wie die Indian Pickels. In all diesen Kombinationen werde das Fett durch eine adstringente Substanz ausbalanciert, schreibt Breslin im Fachblatt "Current Biology".

Er wird wohl nicht der erste sein, dem aufgefallen ist, dass ein Schluck Wein den Gaumen für neue Geschmacksreize empfänglich macht. Aber er ist der erste, der die verantwortlichen Substanzen im Experiment verglichen hat. Breslin stellte mit Kollegen aus Frankreich ein Labormenü zusammen und wies die löffelweise speisenden Probanden an, in regelmäßigen Abständen Traubenkernextrakt, Epigallocatechingallat (ein Inhaltsstoff grünen Tees) sowie Aluminiumsulfat zu schlucken. Letzteres spielt in der Lebensmittelchemie keine Rolle, hat aber in verdünnter Lösung einen ähnlichen Effekt wie andere Adstringenzien.

Die Versuche zeigten jedenfalls: Alle drei Substanzen setzten den Eindruck der "Fettigkeit" herab, entfernten den Nachgeschmack und erhöhten so den Kontrast zum nächsten Bissen des Hauptgerichts. Quasi: Tabula rasa für die erlahmten Sinne. Der Effekt dürfte vor allem über den Tastsinn von Zunge und Gaumen laufen, indirekt sind freilich auch die Rezeptoren der Schleimhäute beteiligt. Interessanterweise gibt es Lebensmittel, die das Breslin'sche "Yin und Yang" in sich vereinen. Nüsse etwa: "Sie liefern Öle und ihre eigenen Adstringenzien in einer Packung. Sie balancieren sich also selbst."

Robert Czepel, science.ORF.at

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