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Symbolbild: Teilchen im Raum

Physiknobelpreis für zwei Quantenoptiker

Der Nobelpreis für Physik geht 2012 an den Franzosen Serge Haroche und den Amerikaner David J. Wineland für ihre Forschungen zu Wechselwirkungen zwischen Licht und Materie. Sie haben "bahnbrechende experimentelle Methoden vorgestellt, mit denen sich kleine Teilchen beobachten lassen".

Nobelpreise 2012 09.10.2012

Beide konstruierten Fallen, in denen geladene Teilchen (Ionen) und Lichtteilchen (Photonen) eingefangen werden können.

Die besondere Leistung der Forscher: Ihre Objekte werden dabei nicht zerstört, sondern können über eine gewisse Zeit beobachtet werden. Das teilte die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften am Dienstag in Stockholm mit.

Kuchen essen, ohne dass er verschwindet

Diese Zeichnungen von David Wineland und Serge Haroche, den Physiknobelpreisträgern 2012, stellte das Nobelpreiskomitee zur Verfügung

Nobelprize.org

Diese Zeichnungen von David Wineland und Serge Haroche stellte das Nobelpreiskomitee zur Verfügung

Serge Haroche, geboren am 11. September 1944 in Casablanca (Marokko) wurde 1971 an der Universite Pierre et Marie Curie in Paris promoviert. Er ist Professor am College de France und der Ecole Normale Supérieure, beide in Paris.

David Wineland, geboren am 24. Februar 1944 in Milwaukee (USA) erhielt sein Ph.D. 1970 an der Harvard University. Er arbeitet am National Institute of Standards and Technology (NIST) und der University of Colorado in Boulder (US-Bundesstaat Colorado).

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Ö1-Sendungshinweise:

Die Ö1-Journale und Ö1-"Wissen aktuell" berichten in der "Nobelpreiswoche" von 8. bis 12. Oktober über alle Auszeichnungen.

Die beiden hätten "durch den Nachweis der direkten Beobachtung von einzelnen Quantenteilchen, ohne sie zu zerstören, die Tür zu einer neuen Ära des Experimentierens in der Quantenphysik" aufgestoßen, heißt es in der Urteilsbegründung.

Per Delsing, Mitglied des Nobelkomitees, sagte zur Vergabe: Dass die beiden Forscher das Messen von Photonen (Lichtteilchen) möglich gemacht haben, ohne dass diese dabei zerstört werden, "sei ein bisschen so, also ob man einen Kuchen zwar isst, ihn danach aber noch hat".

Damit spielt er darauf an, dass Lichtteilchen in vielen anderen Messgeräten zwar nachgewiesen werden können, dann aber verschwunden sind.

Umwelt - das Problem der Quantenphysik

Der Hintergrund: Ein zentrales Problem in der Quantenphysik ist es, einzelne Partikel von ihrer Umgebung zu isolieren und sie dann vom Einfluss der Umwelt derart abzuschirmen, dass ihre Quanteneigenschaften nicht verloren gehen.

Durch die Methoden, die die beiden Physiker und ihre Forschungsgruppen entwickelten, wurde es möglich, sehr sensible Quantenzustände zu messen und zu kontrollieren, die vorher nicht direkt beobachtet werden konnten. Die neuen Methoden erlaubten es ihnen die Teilchen zu untersuchen und zu zählen, heißt es in einer Aussendung des Komitees.

Wineland fing elektrisch geladene Atome, sogenannte Ionen, in Fallen, um sie dann mittels Photonen zu messen. Haroche ging den umgekehrten Weg: Er misst und kontrolliert in Fallen gefangene Photonen, indem er Atome durch die Falle schickt.

Auf dem Weg zum Quantencomputer

Die Arbeit der beiden Wissenschaftler im Bereich der grundlegenden Interaktionen zwischen Licht und Materie hätten zu ersten Schritten in Richtung eines auf Quantentechnologie basierenden Computers geführt.

"Der Quantencomputer könnte unser Leben in diesem Jahrhundert genauso radikal verändern, wie es der klassische Computer im vorigen Jahrhundert getan hat", so das Komitee. Winelands Forschungen haben auch dazu geführt, die Zeit noch präziser zu messen - Uhren, die auf Quantentechnologien beruhen, sind weit präziser als herkömmliche Atomuhren.

Champagner wartet

In einer ersten Reaktion sagte Haroche dem Komitee am Telefon: "Das ist nur schwer zu fassen. Ich war auf der Straße, zusammen mit meiner Frau auf dem Weg nach Hause. Ich war froh, dass ich mich hinsetzen konnte, das ist überwältigend. Ich werde zu Hause Champagner trinken und dann ins Labor gehen."

Die Auszeichnung ist heuer mit acht Millionen schwedischen Kronen (940.000 Euro) dotiert. Das bedeutet eine im Vergleich zu den letzten Jahren um 20 Prozent herabgesetzte Preissumme.

Einige Bezüge zu Österreichs Physik

Wineland war erst im September in Innsbruck, um beim Symposium zum Thema "Frontiers of Quantum Physics" den beiden am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) in Innsbruck tätigen Quantenphysikern Rainer Blatt und Peter Zoller zum 60. Geburtstag zu gratulieren. Blatt hat eng mit den beiden Nobelpreisträgern zusammengearbeitet. Zoller wurde gemeinsam mit David Wineland und Ignacio Cirac 2010 mit der Benjamin Franklin Medaille für Physik ausgezeichnet, die drei Physiker erhielten die Medaille für ihre Beiträge zur Entwicklung von Quantencomputern.

Blatt verbindet mit den beiden Laureaten eine Freundschaft, "wir haben viel zusammengearbeitet", sagte er gegenüber der APA. Blatt war nach eigenen Angaben Gastprofessor bei Haroche in Paris und oft im Labor von Wineland, mit dem er auch gemeinsam publiziert hat. Der US-Physiker wiederum sei Ende der 1990er Jahre Gastprofessor in Innsbruck gewesen. Auch Haroche war oft Gast in Tirol.

Blatt bezeichnete Wineland als "einen der Pioniere, die mit einzelnen Ionen Experimente gemacht haben". Wenn er heute in seinen Labors acht und mehr miteinander verschränkte Ionen in einer Falle aufgereiht hält und damit Quantenrechnungen durchführen kann, also im Prinzip einen einfachen Quantencomputer zur Verfügung hat, "dann sind sicher auch Kenntnisse von Wineland dabei, die wir miteinander erarbeitet haben oder die ich von ihm gelernt habe", so Blatt.

Die Woche der Nobelpreise

Im Vorjahr ging der Nobelpreis für Physik an Saul Perlmutter (USA), Brian P. Schmidt (USA und Australien) und Adam G. Riess (USA) für die Entdeckung der beschleunigten Ausbreitung des Universums, die ihnen durch die Beobachtung entfernter Supernovae gelang.

Nach den Auszeichnungen für Medizin und Physik wird am Mittwoch der Nobelpreis für Chemie vergeben. Der mit besonderer Spannung erwartete Träger des Friedensnobelpreises wird am Freitag in Oslo verkündet.

Am Montag kommender Woche wird der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften bekanntgegeben. Der Termin für die Bekanntgabe des Literatur-Nobelpreisträgers in Oslo wurde wie üblich noch nicht mitgeteilt, sie müsste traditionsgemäß aber am Donnerstag erfolgen.

Die Nobelpreise werden traditionell am 10. Dezember überreicht, dem Todestag des Stifters Alfred Nobel (1833 bis 1896).

science.ORF.at/APA/dpa

Die Physiknobelpreise der vergangenen Jahre: