"Keiner der verstorbenen Alkoholabhängigen hatte das durchschnittliche Lebensalter von 82 Jahren für Frauen und 77 Jahren für Männer erreicht", sagte der Leiter der Studie, der Greifswalder Epidemiologe Ulrich John.
"Uns hat überrascht, dass die Alkoholabhängigkeit im Vergleich zum Rauchen besonders stark zu einer Lebenszeitverkürzung beizutragen scheint." Besonders viele durch das Rauchen bedingte Krebserkrankungen führten oft erst später - im Alter von deutlich über 60 Jahren - zum Tode.
Deutlich erhöhte Sterblichkeit
Die Studie erschien am 16. Oktober 2012 in der US-Fachzeitschrift "Alcoholism: Clinical & Experimental Research" (ACER).
Die Experten hatten im Jahr 1996 die Gesundheitsdaten von 4.070 über die Einwohnermeldeämter zufällig ausgewählten Einwohnern Lübecks und 46 umliegender Gemeinden gesammelt und ausgewertet. Von ihnen waren 153 als alkoholabhängig diagnostiziert worden. Davon konnten 149 (119 Männer und 30 Frauen) über 14 Jahre beobachtet werden.
Verglichen mit der jeweils gleichaltrigen Normalbevölkerung war die Sterberate von Alkoholikerinnen um das 4,6-Fache erhöht, von männlichen Alkoholikern um das 1,9-Fache. Woran die Betroffenen genau starben, wurde nicht untersucht. "Wir gehen aber davon aus, dass die Alkoholabhängigkeit die dominierende Erkrankung war", sagte John.
Frauen reagieren schneller
Symptome der Abhängigkeit
Nach internationalen Standards gilt als alkoholabhängig, wer drei der folgenden Kriterien mindestens einen Monat lang erfüllt: starkes, unwiderstehliches Verlangen nach Alkohol, verminderte Kontrollfähigkeit auf Menge und Dauer des Alkoholkonsums, körperliche Entzugserscheinungen wie Zittern, Gewohnheitseffekt (um die gewünschte Wirkung zu erreichen, sind zunehmend größere Mengen notwendig), zunehmende Einengung der Interessen auf den Alkoholkonsum und anhaltender Alkoholkonsum trotz Erkrankungen.
Erstaunt waren die Forscher über die großen geschlechtsspezifischen Unterschiede."Frauen scheinen schneller und stärker als Männer mit Erkrankungen auf Alkoholkonsum zu reagieren als Männer", sagte John. Warum die Unterschiede in der Sterberate so groß sind, konnten die Forscher bisher nicht erklären. Die geringere Körpermasse sei allein kein ausreichendes Argument. "Frauen müssen jedenfalls beherzigen, dass sie deutlich weniger Alkohol konsumieren dürfen als Männer."
Erfolglose Therapie
Den Ergebnissen zufolge hat zudem eine Alkoholtherapie keine positive Auswirkung auf die Lebenserwartung. Knapp 23 Prozent der 149 Alkoholabhängigen hatten im Laufe der 14 Jahre eine mehrmonatige Entwöhnungstherapie absolviert, weitere 6,7 Prozent lediglich eine Entgiftung. "Unsere Ergebnisse zeigen, dass diejenigen, die in einer Entwöhnungsbehandlung waren, keine größeren Überlebenszeiten gegenüber denen hatten, die nie eine Therapie absolviert hatten", sagte John.
Die Sozialmediziner ziehen daraus den Schluss, dass die Therapieangebote überarbeitet werden müssen. "Die Therapien setzen in Deutschland zu spät an, wenn die Betroffenen bereits an einer Vielzahl alkoholbedingter Störungen leiden", kritisierte John.
science.ORF.at/APA/dpa