Depressionen gehen oft - aber nicht immer - auf einen Serotoninmangel zurück. "Betroffen davon sind die Raphe-Kerne im Hirnstamm und damit verbundene Regionen: etwa der Mandelkern und der Epithalamus. Die letzten beiden gehören zum limbischen System, das unser Gefühlsleben regelt", sagt Siegfried Kasper von der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie.
Er hat kürzlich Patienten mit den Antidepressiva Citalopram und Escitalopram behandelt und die Wirkung des Medikaments mit bildgebenden Verfahren verfolgt.
Die Studie:
"Prediction of SSRI treatment response in major depression based on serotonin transporter interplay between median raphe nucleus and projection areas" von Rupert Lanzenberger und Kollegen ist in der November-Ausgabe von "Neuroimage" erschienen (doi: 10.1016/j.neuroimage.2012.07.023).
Drittel spricht auf Therapie nicht an
Die Daten bestätigen, was man bereits aus der medizinischen Praxis wusste: "Etwa ein Drittel bis ein Viertel der Patienten sprechen auf die sogenannten Serotonin-Wiederaufnahmehemmer nicht an", sagt Kapser. "Bei ihnen hat die Depression nichts mit dem Serotonin-System zu tun. Die Ursachen sind vielfältig und können mit anderen Botenstoffen zu tun haben, etwa Noradrenalin oder Dopamin."
Bei jenen, die von der Therapie profitierten, zeigte sich der Serotoninmangel bereits vor der Therapie - sowie die heilenden Effekt danach: Die Studie könnte deshalb zu einer individualisierten Therapie führen - sprich: sie zielgenauer machen und Behandlungen mit unwirksamen Medikamenten von vornherein ausschließen.
Blutplättchen als Alternative
"Noch ist das Verfahren zu aufwändig und zu teuer. Die Untersuchungen kosten derzeit pro Patient ca. 2.000 Euro", sagt Kasper im Gespräch mit science.ORF.at. "Außerdem mussten die Testpersonen zwei Stunden in der Röhre des Testgeräts liegen." Es gibt aber Alternativen: Auch Blutplättchen könnten über den Stoffwechsel des Gehirns Auskunft geben. Sie tragen - wie Neuronen - Rezeptoren für diverse Botenstoffe auf ihrer Oberfläche.
Langfristig kämen sie für eine maßgeschneiderte Diagnose der Depressionen in Frage: "Das Ziel ist, die Diagnose so einfach wie bei Diabetes zu gestalten", sagt Kasper. "Wenn wir wissen, an welchem Botenstoff es mangelt, können wir auch treffsicher therapieren."
Robert Czepel, science.ORF.at
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