Standort: science.ORF.at / Meldung: "Bakterien als "lebende Kabel""

Ein Hohlraum im Meeresboden aus Kabel-Bakterien, der Strom von der roten Oberfläche in die dunklen Tiefen leitet

Bakterien als "lebende Kabel"

In Ketten angeordnete Bakterien im Meeresboden können Forschern zufolge als "lebende Kabel" elektrischen Strom leiten. Dank dieser Verbindungen, die mindestens anderthalb Zentimeter überbrücken können, können auch die Bakterien in den unteren Schichten Sauerstoff atmen und damit Energie gewinnen.

Bio-Strom 25.10.2012

Die Kabel reichen nämlich von etwas tieferen Sedimentschichten, in denen es keinen Sauerstoff gibt, bis in höhere, sauerstoffhaltige Schichten.

Die Studie in "Nature":

"Filamentous bacteria transport electrons over centimetre distances" von Christian Pfeffer et al., erscheint am 25.Oktober 2012.

Kette aus Bakterien

Forschern ist bereits seit längerem bekannt, dass es im Meeresboden einen Stromfluss gibt. Bisher war aber unklar, wodurch dieser hervorgerufen wird und wozu er gut ist. Die Forscher um Christian Pfeffer von der dänischen Universität Aarhus haben für ihre Studie Sedimente aus der Aarhus Bucht bei Dänemark untersucht. Sie gehen davon aus, dass die Kabelbakterien auch in anderen Meeresregionen zu finden sind.

Den Wissenschaftlern zufolge sind die Bakterien als vertikale Ketten in sogenannten Filamenten angeordnet. Alle Bakterien sind darin von einer gemeinsamen Membran umgeben. Zogen die Forscher einen ultradünnen Metalldraht horizontal durch das Sediment, wurde der Stromfluss unterbrochen. Es floss ebenfalls kein Strom, wenn die Forscher in das Sediment Filter einbrachten, die ein Wachstum der Bakterien von oben nach unten verhinderten.

Tausend Kilometer Bakterienkabel

Darstellung von Kabel-Bakterien im Schlamm des Meeresbodens

Nils Risgaard-Petersen

"Kabel-Bakterien" im Schlamm des Meeresbodens.

"Erst als wir im Inneren dieser Filamente drahtartige Fasern entdeckten, die von einer Membran umschlossen alle Zellen vom einen zum andern Ende verbinden, fingen wir an zu glauben, dass diese Bakterien wirklich wie elektrische Kabel funktionieren", sagt Nils Risgaard-Petersen, einer der beteiligten Forscher.

Einzelne Bakterien sind nur drei Mikrometer lang, die Ketten können eine Länge von mindestens anderthalb Zentimetern erreichen - genug, um die Distanz zwischen sauerstoffarmen und -reichen Schichten zu überbrücken. Zusammengenommen können in den oberen zwei Zentimetern eines Quadratmeters Meeresboden mehrere tausend Kilometer Bakterienkabel liegen, rechnen die Wissenschaftler vor.

Energie aus Schwefel

Schlamm vom Meeresboden auf einer Handfläche

Nils Risgaard-Petersen

Nur ein Teelöffel Schlamm vom Meeresboden kann einen Kilometer Kabel enthalten.

Sie zeigten weiter, dass die Bakterien aus der Familie der Desulfobulbaceae stammen. Diese Lebewesen gewinnen Energie aus schwefelhaltigen Ausgangsstoffen: Sie oxidieren Sulfid, das in den unteren Sedimentschichten vorhanden ist. Das bedeutet, dass sie Elektronen - also geladene Teilchen - des Sulfids aufnehmen. Die Bakterien gewinnen dadurch Energie für ihren Stoffwechsel. Die Elektronen speisen die Bakterien dann quasi in die Kabel ein, wodurch sie in die oberen Schichten weitergereicht werden. Dort werden sie dann an Sauerstoffmoleküle im Wasser abgegeben. Diesen biochemischen Vorgang nennt man auch Atmung.

Obwohl nur ein kleiner Teil der Bakterienkette Zugang zum Sauerstoff hat, können somit alle beteiligten Bakterien das Element zur Atmung nutzen. "Man könnte sagen, die Bakterien bilden einen Organismus, der am unteren Ende isst und am oberen Ende atmet", erläutert Andreas Schramm von der Aarhus University, ein weiterer beteiligter Forscher.

Damit haben die Kabelbakterien einen entscheidenden Vorteil gegenüber anderen Bakterien in den tieferen Sedimentschichten. "Diese Entdeckung revolutioniert unser Verständnis der Biologie des Meeresbodens", sagt Lars Peter Nielsen, ebenfalls von der Universität Aarhus. Er glaubt, die leitenden Fasern im Inneren der Kabelbakterien könnten für Elektronik und Technik interessant sein.

science.ORF.at/APA/dpa

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