Standort: science.ORF.at / Meldung: "Wiener Physiker melden Quantenrekord "

Pumplaser, der die Nichtlinearität der „kohärenten Photonen-Konversation“ verstärkt.

Wiener Physiker melden Quantenrekord

Ein Team um den Physiker Anton Zeilinger hat schnell rotierende Lichtteilchen verschränkt - und damit die bislang größten Quantenzahlen erzeugt. Ein "kleiner Weltrekord", wie die Forscher in einer Aussendung schreiben.

Experiment 02.11.2012

Spuk im Labor

Die Verschränkung von Teilchen ist ein Phänomen, das der österreichische Physiker Erwin Schrödinger als die charakteristische Eigenschaft der Quantenmechanik schlechthin und Albert Einstein als "spukhafte Fernwirkung" bezeichnet hat: Zwei verschränkte Teilchen, etwa zwei Photonen, bleiben über beliebige Distanzen miteinander verbunden. Was immer man mit einem Teilchen tut, beeinflusst sofort auch den Zustand des anderen Teilchens.

In der für uns wahrnehmbaren makroskopischen Welt spielen solche Quantenphänomene in der Regel keine Rolle. Die Quantenphysik gilt gemeinhin als Theorie für winzige Objekte, wie Atome oder Lichtteilchen bzw. für sehr kleine Einheiten. Dennoch versuchen Quantenphysiker die seltsam anmutenden Eigenschaften der Quantenwelt auf immer größere Objekte zu übertragen. In diese Kategorie ist auch das neue Experiment der Wiener Physiker einzuordnen. Sie haben die Größengrenzen der Verschränkung bei sich drehenden Lichtteilchen getestet.

Photonen machen Pirouetten

Die Studie

"Quantum Entanglement of High Angular Momenta", Science (doi: 10.1126/science.1227193).

Lichtteilchen sind zwar immer winzig, sie können aber in sehr schnelle Drehung versetzt werden und damit eine große Quantenzahl haben. Mit dieser werden messbare Größen eines Teilchens beschrieben. So wie etwa die Quantenzahl eines Elektrons zeigt, in welchem Energiezustand sich das Elektron im Atom sich befindet, gibt die Quantenzahl des Drehimpulses eines Photons an, wie viele Einheiten des Drehimpulses (der in Vielfachen des Planck'schen Wirkungsquantums ausgedrückt wird) das Lichtteilchen trägt.

Vergleichbar ist dies mit einer Eistänzerin, die ihre Pirouetten dreht. In der Quantenwelt wäre die Quantenzahl des Drehimpulses der Eistänzerin umso größer, je schneller sie sich dreht. Nach den Gesetzen der Quantenphysik könnte sich die Quanten-Eistänzerin auch gleichzeitig nach links und rechts drehen. Zudem könnte man sie mit einer Kollegin verschränken, dann wäre ihre Drehung mit dem Drehsinn ihrer Kollegin verbunden, auch wenn sie weit voneinander entfernt sind.

Neue Bestmarke: 300

Bei bisherigen Experimenten war allerdings aufgrund physikalischer Einschränkungen der Drehimpuls der Lichtteilchen limitiert, die Quantenzahl des Drehimpulses lag bei maximal zehn. Das Team um Anton Zeilinger hat dagegen mit plus 300 und minus 300 "die größten jemals gemessenen Quantenzahlen von Teilchen irgendwelcher Art verschränkt und damit einen kleinen Weltrekord aufgestellt", so der Physiker. In der Versuchsanordnung kann theoretisch Verschränkung erzeugt werden, egal wie stark der Drehimpuls bzw. wie groß die Quantenzahl ist.

"Einzig die limitierenden technischen Mittel bremsen uns ein, um nicht schon bald Verschränkungen von verdrehten Lichtquanten zu erzeugen, die wir vielleicht mit der bloßen Hand spüren können", so der Hauptautor der Publikation, Robert Fickler. Doch wenn ein Photon absorbiert wird, dann überträgt sich der Drehimpuls auf den Absorber. Und das könnte man etwa für Mikromanipulationen nutzen, etwa um Moleküle oder Bakterien in Rotation zu versetzen. "Wenn man das mit einem Photon macht, das mit einem anderen verschränkt ist, erhält man eine Verschränkung zwischen dem absorbierenden Objekt und dem verbleibenden Photon", so Zeilinger.

Schnell rotierende verschränkte Lichtteilchen könnten aber auch mit sehr geringer Intensität für genauere Winkelmessungen genutzt werden. Dies wäre etwa bei Untersuchungen an lichtsensitiven Materialien wie biologischen Substanzen vorteilhaft. Und: Aufgrund der Verschränkung wären Messungen aus beliebiger Entfernung und ohne jeglichen Kontakt zum Messobjekt möglich.

science.ORF.at/APA

Mehr zu diesem Thema: