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Der Goffinkakadu Figaro im Porträt

Kluger Kakadu bastelt sich "Fressangel"

Nur ganz wenige Tierarten gebrauchen Werkzeuge, noch weniger können sie herstellen. Einen besonders seltenen Fall tierischer Intelligenz haben nun Wiener Biologinnen beobachtet: ein Kakadu, der mit selbst produzierten Holzstückchen nach Nüssen hinter einem Gitter angelt.

Zoologie 06.11.2012

Von dem außergewöhnlichen Goffinkakadu berichtet die Kognitionsbiologin Alice Auersperg mit Kollegen in einer Studie. Auersperg leitet das seit zwei Jahren bestehende Goffin Lab, das mit dem Department für Kognitionsbiologie der Universität Wien und der Universität Oxford assoziiert ist.

Die Studie:

"Spontaneous innovation in tool manufacture and use in a Goffin's cockatoo" von Alice Auersperg und Kollegen ist am 5. 11. in "Current Biology" erschienen.

Intelligenzbestie in drei Schritten:

Figaro sieht die Nuss

Alice Auersperg

Schritt 1: Figaro sieht die Nuss

Figaro bastelt sich ein Holzstückchen

Alice Auersperg

Schritt 2: Figaro bastelt sich ein Holzstückchen

Figaro angelt nach der Nuss, erfolgreich

Alice Auersperg

Schritt 3: Figaro angelt nach der Nuss, erfolgreich

Alice Auersperg und ihr Kakadu Figaro

Alice Auersperg

Annäherung Mensch Tier: die Kognitionsbiologin Alice Auersperg und der Kakadu Figaro

Zurzeit befinden sich dort 14 Kakadus, die aus einer deutschen Nachzucht der ursprünglich in Indonesien beheimateten Vogelart stammen und deren Verhalten von drei Forscherinnen untersucht wird.

Ein verspielter und schlauer Vogel

"Eines Tages fiel einer Masterstudentin das Spiel eines der Exemplare auf", berichtet Auersperg vom Beginn der Studie. "Der Vogel schmiss fortwährend Steinchen in die Luft. Einmal blieb eines dabei hinter dem Gitter seiner Barriere liegen, außerhalb seiner Reichweite. Das Tier versuchte einige Zeit vergeblich, danach mit dem Fuß zu angeln. Schließlich flog es davon und kam einige Zeit später wieder - mit einem Stöckchen in der genau richtigen Länge. Damit hat es dann erfolgreich nach dem Steinchen gefischt", so Auersperg gegenüber science.ORF.at.

Da dieses Verhalten sehr überraschend war - bisher wurde noch kein Goffinkakadu dabei beobachtet, mit ihren krummen Schnäbeln haben sie es schwer, etwas gerade zu halten -, wollten es Auersperg und ihre Kollegen genauer wissen. Im Labor überprüften sie vor laufenden Kameras, wie sich der "Figaro" getaufte Vogel beim gleichen Spiel mit Nüssen verhält.

"Die Futterbelohnung hat ihn offenbar so richtig animiert, wir waren wirklich überrascht. Wir haben ihm Nüsschen etwas aus der Reichweite hinter ein Barrierengitter gelegt, und 'Figaro' begann aus einem Balken Splitter herauszubeißen, die genau die richtige Form und Länge hatten, um die Nuss zu erreichen."

Schneller Lernerfolg

Beim ersten Mal dauerte das noch rund 25 Minuten, bei allen weiteren Versuchen war der Vogel deutlich schneller. In drei Tagen wiederholte 'Figaro' sein Kunststück zehnmal, ehe genug Material für die aktuelle Studie zusammen war. "Alle von ihm abgebissenen Splitter hatten die richtige Länge, bis auf einen, der war zu lang. Als 'Figaro' das bemerkte, hat er ihn sogleich gekürzt und wieder erfolgreich nach der Nuss gefischt. Er kann also nicht nur Werkzeuge bauen, sondern sie auch verändern", erzählt Auersperg.

Ob auch andere Vertreter der Art zu dieser Leistung fähig sind? Auersperg ist sich da nicht sicher. "Wir haben nur eine prinzipielle Fähigkeit dokumentiert", sagt die Kognitionsbiologin. Im Rahmen ihrer Experimente waren auch andere Vögel beteiligt: etwa "Heidi", eine weibliche Artgenossin, die "Figaro" im Labor Gesellschaft geleistet hat. Sie ahmte das Verhalten "Figaros" zwar nach, war aber nicht von Glück beschieden.

"Sie begann ebenfalls Teile des Balkens abzubeißen, ihre Stücke waren aber zu kurz, um erfolgreich nach den Nüsschen zu angeln", so Auersperg. Ein weiterer männlicher Kakadu zeigte überhaupt kein in die Richtung gehendes Verhalten.

Vorbild Betty

Aus Sicht der Kognitionsbiologie besonders interessant ist der Umstand, dass die Kakaduart in freier Wildbahn nicht als "Werkzeug-Gebraucher" bekannt ist. "Offenbar gehen Gebrauch, Bau und Veränderung der Werkzeuge, die wir bei 'Figaro' beobachtet haben, aus einem generellem Intelligenzsystem hervor, nicht aus einem spezialisierten", folgert Auersperg.

Wie die neuronalen Mechanismen aussehen, auf denen die Leistung beruht, wissen die Forscher bisher nicht. "Die Kakadus haben aber genauso wie Krähen relativ große Gehirne und verfügen über Gehirnregionen, die ähnliche Funktionen haben wie der frontale Kortex bei Menschenaffen."

Von Krähen ist ein ähnlicher Werkzeuggebrauch schon länger bekannt. Am prominentesten vermutlich ist "Betty". Schon vor zehn Jahren berichteten Forscher, dass das Vogelweibchen imstande ist, einen Draht so zu einem Haken zu biegen, dass es damit einen kleinen Futterbehälter aus einer Röhre angeln kann. Wer weiß: Vielleicht wird "Figaro" ja ähnlich berühmt und vielzitiert, wie es "Betty" in der Literatur bereits ist.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at

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