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Weltkugel umringt von Figuren im Kreis

Die Zukunft der Innovation: Alle entwickeln mit

Offen, einfach und gemeinsam sollen in Unternehmen zukünftig Innovationen entstehen. Kreative Entwicklungsprozesse werden ausgelagert, nach Ideen wird automatisch im Internet gesucht und die Gesellschaft entwickelt sich zu einer Open-Source-Society. Das sind einige Trends, geht es nach dem EU-Projekt "Innovation Futures".

Open Source 07.12.2012

science.ORF.at hat mit dem INFU-Projektleiter Karl-Heinz Leitner vom Austrian Institute of Technology (AIT) gesprochen.

science.ORF.at: Innovationen sollen in Zukunft offen entstehen, wie kann man sich diesen offenen Entwicklungsprozess vorstellen?

Der Innovationsmanager Karl-Heinz Leitner vom AIT sitzt vor einem PC-Bildschirm

AIT

Karl-Heinz Leitner ist seit 1995 beim Foresight & Policy Development Department des AIT Austrian Institute of Technology tätig und für das Themenmanagement im Bereich Forschungs- und Innovationsstrategien verantwortlich. Leitner unterrichtet u.a. auf der TU Wien und der Donau-Universität Krems Innovationsmanagement.

Das Projekt:

Das Innovation Futures (INFU) Projekt hat 63 Beispiele und Strategien von Unternehmen, öffentlichen Einrichtungen und Organisationen untersucht und 20 Trends identifiziert, wie Innovationen in Zukunft aussehen könnten. Das Innovation Futures (INFU) Projekt wurde im 7. Rahmenprogramm der Europäischen Union gefördert und vom Foresight & Policy Development Department des AIT Austrian Institute of Technology koordiniert.

Links:

Karl-Heinz Leitner: Open Innovation findet dort statt, wo Unternehmen verschiedene externe Personen aktiv in den Entwicklungsprozess einbinden, etwa den Kunden, den Lieferanten, Forschungsinstitutionen oder Universitäten. Sie begegnen Open Innovation, wenn Sie ein Produkt nicht nur spezifizieren, sondern mitgestalten und mitentwickeln. Hier geht es etwa um das Programmieren von Software und Applikationen für Smartphones oder um Problemlösungen im Umweltbereich.

Die Stadt München hat zum Beispiel ihre Bürger dazu aufgerufen, die energieeffizienteste Stadt zu werden, ist das Open Innovation?

München hat bei einem deutschlandweiten Wettbewerb mitgemacht und nicht nur Unternehmen, sondern auch Bürgerinnen, Haushalte und Universitäten angeregt, sich mit ihren Ideen zum Energiesparen zu beteiligen. Diese Idee des Crowdsourcing kommt aus Amerika, Unternehmen schreiben beispielsweise auf Plattformen einen Wettbewerb für konkrete Problemlösungen aus und hoffen auf Beteiligung der "Crowd", also auf die Bevölkerung, die ihre Ideen einbringt.

Wie gelangen Unternehmen noch an die Ideen der "freiwilligen Mitarbeiter"?

Es werden zum Beispiel Innovation Camps organisiert. Hier ist die Idee, über einen relativ kurzen Zeitraum und mit Hilfe von Workshops verschiedene kreative Köpfe zusammenzubringen, die an einer konkreten gesellschaftlichen Herausforderung und an einer Problemlösung arbeiten. Die Leute verbringen zum Beispiel ein Wochenende "eingesperrt" in einem Hotel oder in einem Schloss und können ihre Ideen dort gleich realisieren.

Was kann die Motivation für den Bürger sein, den kreativen Kopf für ein Unternehmen zu spielen und sich an einem Open-Innovation-Projekt zu beteiligen?

Die Antriebskraft ist eine Kombination aus intrinsischer und extrinsischer Motivation. Spaß und die Möglichkeit, die eigene Kreativität auszudrücken und an der Entstehung eines Produkts mitentwickeln zu können. Vielleicht erhofft sich ein Entwickler oder Programmierer auch, dass er mit seiner Idee bekannt wird oder sich später einmal darauf berufen kann, dass er bei der Produktentwicklung dabei war, um dann in einer Forschungsabteilung Karriere zu machen. Wenn explizit Ideenwettbewerbe ausgeschrieben werden, gibt es auch oft ein Preisgeld, die Motivation kann also auch finanzieller Natur sein.

Welche Rolle spielt das Internet für den offenen Ideenaustausch?

Open Innovation funktioniert prinzipiell nicht nur über das Internet, das Netz erleichtert allerdings die Kommunikation. Alle derartigen Ausschreibungen für Ideen-Wettbewerbe werden über das Internet abgewickelt. Auf einer Plattform stellt man seine Konzepte online, unterhält sich mit den anderen Teilnehmern und bekommt umgehend Feedback von der Community. Das ist effizienter als Ideenaustausch auf einem Blatt Papier.

Ein Trend in der Zukunft wird auch das Durchforsten des Internets nach Ideen sein. Unternehmen nutzen bereits jetzt intelligente Suchmaschinen, die das Netz nach Beschwerden, Anregungen und Wünschen von Kunden durchsuchen, die auf Blogs oder in Foren ihre Meinung kundtun, oft verbergen sich dort Indizien, welche Bedürfnisse die Kunden haben.

Ein Zukunftsmodell ist laut INFU-Projekt auch die "Open Source Society". Derzeit werden heftige Urheberrechtsdebatten über das Teilen von Inhalten im Netz geführt, glauben Sie, dass offene Innovationsprozesse und die Idee von Open Source - also gemeinsam Wissen kreieren, verändern und teilen - ein Modell ist, das funktionieren kann?

Ich glaube, dass dieses Modell in einigen Bereichen funktionieren kann. Ich sehe die Open Source Society nicht auf den Ursprung - auf den Bereich der Open Source Software - beschränkt. Es gibt beispielsweise in Großbritannien Ideen zur Entwicklung von einem Open Source Car "OScar", ein Elektroauto, an dem jeder mittüfteln kann. Ich glaube, Bürger werden sich an Open Innovation Projekten beteiligen, weil sie die Hoffnung haben, dass dadurch auch gesellschaftliche Probleme gelöst werden können und daher halte ich das Open Source Society Modell für zukunftsträchtig.

Wie gehen Unternehmen mit dem Innovationsdruck um?

Der Innovationswettbewerb ist mittlerweile enorm und führt dazu, dass Unternehmen ständig innovieren müssen. Dadurch bleibt die radikale Innovation leider häufig auf der Strecke, oft werden Entwicklungen nur noch abgekupfert und variiert. Einige Unternehmen versuchen jetzt durch andere Geschäftsmodelle und nachhaltigere Strategien langlebigere Produkte für bestimmte Nischen anzubieten. Denken Sie an die Slowfood-Entwicklung. Ich glaube es wird in bestimmten Bereichen eine Renaissance für stabilere, langlebigere Produkte geben.

Findet Open Innovation bereits in Österreich statt?

Vor allem Telekommunikationsunternehmen haben im Bereich mobile Kommunikation schon derartige Ideenwettbewerbe organisiert. Viele österreichische Unternehmen arbeiten ohnehin viel mit den Kunden zusammen und binden sie in den Innovationsprozess ein, zum Beispiel bei der Entwicklung eines neuen Skis oder bei einem Kontrollsystem für den Liftbetrieb.

Interview: Julia Gindl, Ö1 Wissenschaft

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