Vielmehr vermittelt er seine Liebe zur und sein Wissen über die Natur in vielfältiger Weise einer breiten Öffentlichkeit, wofür er nun vom Klub der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten als Wissenschaftler des Jahres 2012 ausgezeichnet wurde.
Die Auszeichnung wurde dem stellvertretenden Direktor des Instituts für Interdisziplinäre Gebirgsforschung der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und ehemaligen Naturschutzprofessor an der Uni Wien heute, Montag, in Wien überreicht.
Auszeichnung seit 1994:
Der Klub der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten vergibt seit 1994 jährlich den Titel des Wissenschaftlers bzw. der Wissenschaftlerin des Jahres. Er zeichnet damit nicht die wissenschaftliche Qualität der Preisträger aus, sondern ihre Fähigkeit, ihre Arbeit einer breiten Öffentlichkeit verständlich vermitteln zu können.
Links:
- Grabherr-Interview: "Die größten Feinde der Natur sind Biologen"
- Georg Grabherr, Uni Wien
- GLORIA
- Man and Biosphere, ÖAW
Ö1 Sendungshinweis:
Über das Thema berichten auch die Ö1 Journale, 7.1., 12:00 Uhr.
Auswirkungen des Klimawandels untersucht
Mit Studien über die Natürlichkeit der österreichischen Wälder, die Pflanzengesellschaften und die Biodiversität Österreichs sowie dem ersten vollständigen Gebirgsinventar schutzwürdiger Biotope wurde Grabherr zum international gefragten Experten. Bereits 1994 gelang ihm gemeinsam mit seinen damaligen Studenten Harald Pauli und Michael Gottfried erstmals der - in "Nature" publizierte - Nachweis für das erwärmungsbedingte Höhersteigen der alpinen Vegetation.
Diese Auswirkungen des Klimawandels werden seit Jahren in der von Grabherr initiierten Forschungsinitiative GLORIA (Global Observation Research Initiative in Alpine Environments") an mittlerweile mehr als 100 über den Globus verteilten Observationspunkten beobachtet - und von ihm scherzhaft als "Blümchenzählen" bezeichnet.
Moorpredigt für die Regierung
Grabherr ist es wichtig, mit seinen Themen "Naturschutz und Liebe zu den Pflanzen in die Gesellschaft hineinzugehen", wie er im Gespräch mit der APA erklärte. "Mir ist die Natur wichtig, aber primär geht es mir um die Pflanzen, und ich habe das Glück gehabt, die Faszination der Pflanzenwelt kennenzulernen - das möchte ich vermitteln und schützen", sagte Grabherr.
Bei seinen Naturschutzbemühungen kommen Grabherr Funktionen wie der Vorsitz im Vorarlberger Naturschutzrat oder im österreichischen Nationalkomitee des UNESCO-Programms "Man and Biosphere" zugute. Stolz ist er dabei, es geschafft zu haben, "jedes Jahr mit der vollständigen Vorarlberger Landesregierung einen Nachmittag eine Exkursion in die Natur zu machen".

APA, Herbert Pfarrhofer
Dabei wähle er mit Bedacht "nicht Problemfälle, sondern Gutfälle - denn wir müssen positiv polen". Grabherr glaubt, dass ein solcher Besuch im Wald oder im Moor "allen Regierungen gut täte - eine halbe Stunde Moorpredigt genügt um klarzustellen: Die Natur ist vielfältig, sie ist fantastisch und wir haben Verantwortung."
Und noch etwas macht Grabherr stolz: Sein Department an der Uni Wien habe mehr als 300 Diplomanden und Dissertanten "produziert". Durch diese Absolventen sei es zu einer "Professionalisierung im Naturschutz" gekommen. "Das ist ein schöner Erfolg, dass unsere Brut etwas zu sagen hat im Land."
Werdegang
In Bregenz am 30. April 1946 geboren und in Hörbranz aufgewachsen besuchte der Sohn eines Schusters die Lehrerbildungsanstalt. Im Internat nutzte er sein früh erwachtes Interesse für die Natur, um beim "Botanisieren" in Wald und Flur dem Nachmittagsstudium zu entgehen. Doch Grabherr wollte nicht Lehrer werden und begann deshalb 1967 an der Uni Innsbruck ein Studium der Biologie, das er 1975 mit der Promotion summa cum laude abschloss.
Er erhielt gleich nach dem Doktorat eine Assistentenstelle am Institut für Botanik der Universität Innsbruck, wo er sich schnell einem seiner Lieblingsthemen, der alpinen Vegetation, widmete. Nach einem Forschungsaufenthalt an der University of Wales in Bangor (Großbritannien) habilitierte er sich 1983 in Innsbruck.
1986 wurde er als Professor für Naturschutzbiologie, Vegetations- und Landschaftsökologie an die Uni Wien berufen und konnte damit den Naturschutz auf akademischem Boden etablieren. 2011 musste er krankheitsbedingt aus dieser Funktion frühzeitig ausscheiden.
Naturschutz u. a. für das Bodensee-Vergissmeinnicht
Grabherr ist auch stellvertretender Direktor des Instituts für Gebirgsforschung der Akademie der Wissenschaften (ÖAW), in zahlreichen internationalen Gremien vertreten und hat die EU u.a. bei der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie beraten.
Der Ökologe beobachtet und studiert aber nicht nur die Natur, er beschreibt sie auch auf populäre Art, etwa in seinem im Vorjahr erschienenen Prachtband über seinen Garten in Niederösterreich ("Ein Garten für das 21. Jahrhundert"), und kämpft für ihren Schutz - konkret etwa um die Erhaltung des nur in Mitteleuropa vorkommenden Bodensee-Vergissmeinnicht.
Mitte der 1980er-Jahre habe es am Bodensee nur noch einen "kläglichen Rest" von Grabherrs Lieblingspflanze gegeben, erinnerte er sich im Gespräch. Durch seine Bemühungen wurden Naturschutzgebiete eingerichtet, die Zahl der Pflanzen sei daraufhin regelrecht "explodiert", freut sich der Biologie über seinen "gegen viele Widerstände erzielten schönsten Schutzerfolg".
science.ORF.at/APA
Weitere Wissenschaftler/-innen des Jahres:
- 2011: Archäologin Sabine Ladstätter
- 2010 - Verhaltensbiologe Kurt Kotrschal
- 2009 - Experimentalphysiker Rudolf Grimm
- 2008 - Allergieforscherin Fatima Ferreira
- 2007 - Germanist Wendelin Schmidt-Dengler
- 2006 - Philosoph Konrad Paul Liessmann
- 2005 - Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb
- 2004 - Mathematiker Rudolf Taschner