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Emissionen steigen aus einem Braunkohlekraftwerk in den Himmel.

"Negative CO2-Emissionen" sind möglich

Trotz weltweiter Klimaerwärmung werden weiterhin Rekordmengen an Treibhausgasen in die Atmosphäre ausgestoßen. Dabei existieren prinzipiell bereits heute Techniken, die diesem Trend entgegenwirken und sogar für "negative CO2-Emissionen" sorgen könnten.

Umwelt 19.02.2013

"Netto-Negativ-Emissionen können erreicht werden, wenn mehr Treibhausgase gebunden werden als in die Atmosphäre gelangen", erklärte Jennifer Milne, Energieexpertin der US-Universität Stanford, beim Jahreskongress des US-Wissenschaftsverbands AAAS in Boston.

Mit Kollegen präsentierte sie dort einen Bericht über verschiedene technologische Ansätze, die CO2 aktiv aus der Luft holen sollen. Darunter befinden sich Biokraftwerke mit Kohlenstoffspeicherung (BECCS), Biokohle und sogar "mechanische Bäume".

Mit Abfällen gegen die Erderwärmung

Pflanzen sind natürliche Kohlenstoffspeicher. Sie nehmen Kohlendioxid aus der Luft auf und binden es. Stirbt eine Pflanze und verrottet, wird wiederrum CO2 in die Atmosphäre abgegeben. Um sukzessive Kohlenstoff aus diesem natürlichen Zyklus zu entfernen, haben Forscher eine Methode entwickelt, die Energie aus Agrarabfällen gewinnt und die dabei entstehenden CO2-Abgase speichert. Das ganze heißt auf Englisch "Bioenergy with Carbon Capture and Storage".

BECCS sind Biomassekraftwerke mit CO2-Speicherung: Sie wandeln Biomasse wie beispielsweise Holzreste oder Abfälle der Maisproduktion in Elektrizität oder Ethanol-Treibstoff um. Die dabei entstehenden Abgase werden unter hohem Druck verflüssigt und in geeigneten Gesteinsschichten unterirdisch deponiert.

Durch die Verwendung der Bioabfälle werden zusätzlich natürliche Emissionen verhindert. Dieses Prinzip, dem Kohlenstoff-Zyklus sein "Futter" zu entziehen, nennen die Wissenschaftler "negative CO2-Emission".

16 Prototypen weltweit

Etwa 60 Prozent der globalen CO2-Emissionen werden durch Kraftwerke und andere kohle-, öl- oder gasbetriebene Industrien verursacht, schreiben die Forscher in ihrem Bericht. Biokraftwerke können ihnen zufolge heute zwar wirtschaftlich nicht mit Energie aus fossilem Brennstoff konkurrieren, bei Mischformen aus BECCS und herkömmlichen Kraftwerken könnte dies in Zukunft aber anders aussehen - technologische Entwicklung und entsprechende Förderung vorausgesetzt. Diese Kombination könnte jedenfalls zu einem insgesamt CO2-negativen Energiegewinnungsprozess führen.

Ein Vorzeigeprojekt existiert bereits seit 2009 in Decatur im US-Bundesstaat Illinois. Dort werden bei der Herstellung von Bioethanol täglich 1.000 Tonnen CO2 abgefangen und in zwei Kilometer tiefen Sandsteinschichten gespeichert.

Das Ziel der Anlage ist es, jährlich bis zu eine Million Tonnen Kohlendioxid zu binden - das ist circa so viel, wie durch die Abschaffung von 200.000 Autos an Abgasen eingespart würde. Weltweit gibt es 16 Standorte, an denen mit ähnlichen Modellen experimentiert wird, rund die Hälfte davon in Europa.

Kritik an der Technologie

Bei allen Hoffnungen, die in diese Technologien gesteckt werden, gibt es auch jede Menge Kritik. Die Konsequenzen der CO2-Speicherung unter der Erde sind bisher jedenfalls nicht absehbar. Eine US-Studie aus dem Jahr 2012 weist darauf hin, dass es in Folge von CO2-Sequestrierung in Gesteinsschichten bereits zu kleineren Erdbeben gekommen sei.

Durch das Einpressen des verflüssigten CO2 kann sich der Porendruck im Gestein erhöhen. Geschieht dies nahe an Bruchstellen im Gestein, könnten Erdbeben ausgelöst werden. Abgesehen davon stehe der Energie- und Kostenaufwand noch in keinem Verhältnis zum Nutzen.

Weitere Beispiele: Biokohle, künstliche Bäume

Weniger kontrovers und vor allem kostengünstiger ist der Einsatz von Biokohle (biochar). Ausgangsstoff sind auch hier landwirtschaftliche Abfallprodukte. Biokohle entsteht durch langsames Erhitzen dieser Abfälle ohne Sauerstoffzufuhr.

Auch hier kommt man der natürlichen Verwesung der Pflanzenreste zuvor und bindet Kohlenstoff sowie Stickstoff (aus klimarelevantem Stickoxid) in Form von Dünger im Boden. Die Verfasser des Berichts des CNEP gehen davon aus, dass bei einem globalen Einsatz des Verfahrens Milliarden von Tonnen CO2 jährlich gebunden werden könnten.

Eine Firma namens "Carbon Engineering" arbeitet gar daran "mechanische Bäume" herzustellen. Sie entziehen der Luft direkt das CO2, brauchen allerdings eine Naturgaszufuhr um zu funktionieren.

So ambitioniert die gesammelten Projekte auch sind, es bleiben viele Hürden. Speziell die BECCS-Technologie ist sehr teuer und wird im Gegensatz zu erneuerbaren Energien bisher kaum gefördert. Außerdem bleibt bei vielen Projekten die Frage offen, ob tatsächlich ein nachhaltiger Nutzen entsteht oder die Probleme nur auf ein anderes Gebiet verschoben werden.

science.ORF.at

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