Während Barack Obama, der erste schwarze Präsident der USA, seine zweite Amtszeit begeht, übt ein weißer Wissenschaftler harte Kritik am Status Quo der Gesellschaft. Wirtschaftlich betrachtet seien die USA von Chancengleichheit meilenweit entfernt, lautet das Urteil von Thomas Shapiro.
"Die Politik ist hauptverantwortlich für die weite Kluft des Wohlsstands, die in unserem Land herrscht", sagt der Soziologe von der Brandeis University. "Wir sollten in Wachstum und Verteilungsgerechtigkeit investieren, ansonsten wird sich die schädliche Kluft weiter vergrößern. Wir benötigen eine Umkehr."
Abstand hat sich verdreifacht
Die Studie:
"The Roots of the Widening Racial Wealth Gap: Explaining the Black-White Economic Divide" ist am 27.2.2013 auf der Website des Institute on Assets and Social Policy erschienen.
Ö1 Sendungshinweis:
Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 27.2., 13:55 Uhr.
Wie Shapiro in einer aktuellen Studie nachweist, hat sich der finanzielle Abstand zwischen schwarzen und weißen Haushalten zwischen 1984 und 2009 verdreifacht. Vor 25 Jahren betrug die Differenz aller Vermögen durchschnittlich (Medianwerte) noch 85.000 Dollar. Heute sind es 236.500.
Anders ausgedrückt: Von jedem Dollar, um den das durchschnittliche Budget eines Haushaltes wächst, profitieren die Angehörigen verschiedener Ethnien in äußerst ungleichem Maß. Afroamerikanern blieb in dieser Zeit ein Plus von 69 Cent, weiße Amerikaner indes lukrierten 5,19 Dollar.
Fünf Faktoren
Hauptverantwortlich für das Ungleichgewicht seien nicht nur Einkommensunterschiede, schreibt Shapiro. Statistisch ebenso einflussreich seien Faktoren wie Jobsicherheit, finanzielle Unterstützung durch die Familie, Ausbildung sowie der Besitz von Grundstücken und Wohnungen.
Diese Faktoren mögen zwar durch die letzte Wirtschaftskrise verstärkt worden sein. Doch die Hauptursachen seien historisch bedingt, sagt Anne Price, eine Co-Autorin der vorliegenden Studie. "Die Exklusionspolitik früherer Zeit setzt sich auch heute noch fort. Etwa bei der Vergabe von Hypotheken", so Price. "Manche Gruppen können am Wohlstand des Landes teilhaben, während andere davon ausgeschlossen sind."
Positiv sei immerhin, dass man nun die wichtigsten Ursachen der Misere bloßgelegt habe, sagt Shapiro. "Wenn man in den Sozialwissenschaften einmal die wichtigsten Faktoren isoliert hat, ist das schon ein bedeutender Schritt in die richtige Richtung." Nun sei die Politik am Zug.
Forderungen an die Politik
"Alle Familien benötigen einen finanziellen Polster. Er gibt uns die Möglichkeit, in sichere Wohngegenden zu ziehen, beruflich zu investieren und Geld für die Pension und die Ausbildung der Kinder zu sparen." Shapiros Vorschläge an die Politik lesen sich, wenig überraschend, als Negation des Festgestellten.
Man solle die Praxis der Kreditvergabe neu gestalten, den Mindestlohn erhöhen, Einkommensunterschiede beseitigen, Kapitalgewinne höher besteuern sowie in Schulen und Kindergärten investieren. Also alles Forderungen, die auf den gesellschaftlichen Ausgleich abzielen - ob sich mit diesen Forderungen in den USA auch Wahlen gewinnen lassen, ist freilich eine andere Frage.
science.ORF.at
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