Was diese beiden Bereiche miteinander zu tun haben, erzählt sie im science.ORF.at-Interview.
Sie sind heute 26 Jahre alt: Finden Sie an Ihrer Autobiografie etwas Besonderes?
Anna Maria Kaiser: Nein, wieso? (lacht)

privat
Anna Maria Kaiser rückte 2005 beim Jägerbataillon 15 in Freistadt ein und begann nach dem Ausbildungsdienst des Bundesheeres im selben Jahr das Studium der Alten Geschichte, Altertumskunde und Mykenologie an der Universität Salzburg. Seit 2007 ist sie Milizsoldatin im Jägerbataillon Oberösterreich, 2008 schloss sie ihr Studium in Salzburg ab. Seit 2009 ist sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin in einem Projekt des Wissenschaftsfonds FWF am Institut für Alte Geschichte und Altertumskunde, Papyrologie und Epigraphik der Uni Wien tätig. Ihr Doktoratsstudium der Philosophie schloss sie 2012 mit ihrer Dissertation zur Militärorganisation im spätantiken Ägypten (284-641 n. Chr.) ab.
Promotion "sub auspiciis"
Kaiser war eine von fünf Absolventen der Universität Wien, die am 11. März "sub auspiciis praesidentis rei republicae" promoviert worden sind. Bundespräsident Heinz Fischer überreichte ihr und den anderen den Goldenen Ehrenring der Republik. Voraussetzung für eine "sub auspiciis"-Promotion sind nicht nur exzellente Leistungen im Studium, wo alle Diplomprüfungen und die Dissertation mit "sehr gut" absolviert werden müssen. Auch alle Klassen der Oberstufe sowie die Matura müssen mit "Auszeichnung" abgeschlossen worden sein.
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Ö1 Sendungshinweis:
Über das Thema berichtet auch Wissen Aktuell: 25.3. um 13:55 Uhr.
Wie kam es z.B. zu der Idee, auf Island zu leben?
Das war ein Wunsch seit der Kindheit. Ich habe oft die Bücher über "Nonni und Manni" gelesen, die auf Island spielen. Seitdem wollte ich dort einmal wohnen und die Sprache erlernen. So habe ich die siebente Klasse Gymnasium in Húsavík , im Norden Islands, verbracht, und bei einer isländischen Familie gelebt, die ich seit damals als meine zweite Familie betrachte.
Verzeihen Sie: Aber obwohl Sie aus dem oberösterreichischen Schlägl stammen, hört sich Ihr Dialekt nach Kärnten an …
… dabei war ich dort nur drei Monate. Sprachenlernen fällt mir aber leicht und offenbar hat sich da etwas verfestigt. (lacht)
Sie könnten auch sofort auf Isländisch wechseln?
(Fängt an Isländisch zu sprechen): Ja, ich kann, kein Problem, aber sie werden es wohl nicht verstehen.
Das stimmt, danke für die Kostprobe. Zum Militär: Was war früher - Ihr Interesse für militärische Praxis oder für die alte Geschichte des Militärs?
Das kann ich nicht sagen, beides ist auch nicht zu trennen. In der Schule habe ich mich bereits für Geschichte interessiert. Es war aber nicht so, dass ich danach unbedingt zum Bundesheer musste. Ich habe es einfach ausprobiert, und es hat mir sehr gut gefallen: körperlich an die Leistungsgrenzen zu gehen, die militärische Ausbildung mit Schießen, dem Umgang mit Funkgeräten etc. Dann habe ich begonnen, Alte Geschichte zu studieren.
In welchem Feld arbeiten Sie gerade?
Zum spätantiken Ägypten, also ab dem römischen Kaiser Diokletian Ende des 3. Jahrhunderts bis zur arabischen Eroberung Ägyptens im Jahr 641. Im Rahmen des FWF-finanzierten Forschungsnetzwerks "Imperium et Officium" untersuche ich die militärische Aufstellung und die höchsten Kommandanten genauer - woher sie kommen, wie ihr Leben verlaufen ist, welches Verhältnis sie zu den lokalen Eliten hatten etc.
Wie untersucht man so etwas?
Anhand von Papyrusdokumenten, die u.a. in der der Österreichischen Nationalbibliothek liegen.
In welcher Sprache liegen die Dokumente vor?
In der Spätantike sind die relevanten Dokumente meistens auf Altgriechisch. Seit Alexander dem Großen hat sich Griechisch in Ägypten immer mehr durchgesetzt, auch unter den Römern blieb es auf den unteren Ebenen die Verwaltungssprache. Nur in den höchsten Ebenen und als Kommandosprache im Militär sprach man im römischen Osten Latein, ab der Spätantike breitete sich Griechisch auch in den höchsten Ebenen weiter aus.
Zur Aufstellung der Soldaten, über die Sie auch Ihre Dissertation geschrieben haben: Gibt es da Besonderheiten?
In Ägypten bietet sich eine Aufstellung entlang des Nils an, wo sich das einzig fruchtbare Land befindet. Zwar stand Militär auch in einigen Oasen in der Wüste - in erster Linie Außenposten -, aber die Garnisonsstädte befanden sich alle am Nil, wo die Versorgung gut funktioniert hat. Diese Aufstellung gab es von der römischen Kaiserzeit bis in die Spätantike, wobei sich im Lauf der Zeit einige Feinheiten geändert haben. Dazu muss man wissen: In der Kaiserzeit bestanden die Legionen, also die Eliteeinheiten, aus ca. 5.000 Mann. Sie wurden konzentriert aufgestellt, damit man sie schnell verlegen konnte, wenn man sie an einem anderen Krisenherd brauchte. Ab Kaiser Justinian im 6. Jahrhundert änderte sich das: In Ägypten z.B. verblieben zwar Elitetruppen, sie wurden aber sehr kleinteilig aufgestellt - in Einheiten von 20 bis 30 Mann, die man über halb Ägypten verstreut hat.
Warum ist das geschehen?
Eine gute Frage: Wir können in den Papyri zwar sehen, wie sich die Aufstellung geändert hat, aber nicht warum. Man kann da nur mutmaßen.
Hat das vielleicht mit dem Ende der römischen Herrschaft in Ägypten zu tun?
Wie gesagt, das sind Mutmaßungen, da die papyrologische Information zum Militär ab dem Ende des 6. Jahrhunderts abnimmt. Vielleicht war die Aufsplitterung der Truppen ungünstig. Vielleicht lag es auch am Bürgerkrieg zwischen den zwei rivalisierenden Kaisern Phokas und Herakleios, die zuvor Truppen aus Ägypten abgezogen hatten. Schon vor der arabischen Eroberung stand Ägypten zehn Jahre lang unter persischer Herrschaft. Die Römer haben es danach nicht geschafft, das Land wieder vollständig unter ihre Kontrolle zu bringen. Die letzten 50 Jahre des römischen Ägypten waren sehr turbulent.
Werden dazu noch Antworten auftauchen, weil man noch nicht alle Quellen kennt?
Das kann gut sein. Weltweit sind rund eine Million Papyrusdokumente erhalten, von denen weniger als zehn Prozent ediert sind - die also gelesen, übersetzt und auf Papier in moderner griechischer Schrift zugänglich sind. In der Nationalbibliothek in Wien gibt es rund 100.000 Papyri, die schon alle inventarisiert wurden, hier sind vermutlich keine weltbewegenden Überraschungen zu erwarten. In Oxford alleine aber liegt eine halbe Million Dokumente, die zum Teil noch in den Blechkisten lagern, wie sie damals von der Grabung gekommen sind. Da weiß man nicht, was drinnen ist.
Sie kennen das österreichische Bundesheer von Innen und das altrömische Militär aus den Dokumenten: Sehen Sie da auch Parallelen?
Auf jeden Fall. Besonders was den militärischen Alltag betrifft. Was heute beim Bundesheer Standardprozedere ist, war beim römischen Heer genauso. Kampfberichte oder Dokumente zur Ausbildung gibt es auf Papyrus leider nicht. Es sind v.a. Privatdokumente, in denen Soldaten agieren, weil sie etwa ein Haus vermieten oder Land pachten. Aus der Kaiserzeit gibt es mehr interne militärische Dokumente, etwa einen "Dienstplan" aus dem ersten Jahrhundert n. Chr., der genau auflistet, welche Aufgaben die Soldaten hatten: vom Latrinenputzen bis zum Säubern der Schuhe des Centurio. Auch Morgenmeldungen, die von der Standeskontrolle in den Einheiten die militärische Hierarchie hinauf gemeldet wurden, liegen vor. Der Militäralltag damals ist identisch abgelaufen wie heute.
Egal, wie man bei der Heeres-Volksabstimmung im Jänner abgestimmt hat: Von allen Seiten wurde kritisiert, dass es beim Grundwehrdienst sehr viele Leerläufe gibt. Hat es Vergleichbares auch in der römischen Antike gegeben?
Wenn man davon ausgeht, dass der Zweck des römischen Heeres das Kämpfen war, dann ja. Allerdings war das nicht der alleinige Zweck der römischen Armee. Viele Soldaten in der Kaiserzeit haben keine einzige Schlacht gesehen. Das war eine sehr friedliche Zeit. Die Soldaten übernahmen andere Aufgaben, sie halfen beim Straßenbau, unterstützten die Verwaltung. Die "typischen militärischen Leerläufe" hat es allerdings auch gegeben.
Sind andere Vergleiche sinnvoll?
Naja … das war ein ganz anderes politisches System. Wenn der Kaiser das Heeresbudget erhöhen wollte, hat er das getan. Rund drei Viertel der Staatseinnahmen sind ins Militär geflossen. Das war die Machtbasis des Kaisers. Und der Militärdienst war durchaus attraktiv, in der Kaiserzeit hat das römische Heer v.a. aus Freiwilligen bestanden.
Die Wehrpflicht hat seit der Republik Bestand gehabt, wurde aber erst in der Spätantike wieder schlagend, weil das Militär lange so attraktiv war. Es haben sich genug Freiwillige gemeldet. Nach den 20 Jahren Dienstzeit bekam der Legionär den Rest seines Soldes samt Prämien ausgezahlt. Bis dahin durfte man zwar nicht heiraten, danach aber hat man das Eherecht bekommen. Die Lebensmittelversorgung und auch die medizinische Versorgung der Soldaten lag weit über dem Standard der durchschnittlichen Provinzbevölkerung. Und auch die Veteranen genossen Privilegien.
Interview: Lukas Wieselberg, science.ORF.at
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