Vergangenen Februar hatten sie die Möglichkeit einen Prototypen bei der bisher größten Simulation einer Mission zum Mars in der Wüste von Marokko zu testen.
Die beiden Universitätsassistentinnen Sandra Häuplik-Meusburger und Polina Petrova haben gemeinsam mit Studierenden eine auffaltbare Notbehausung für künftige Missionen zum Mars entworfen und einen Prototypen gebaut.
Die TU Wien lieferte mit dem Habitat eines der 14 internationalen Experimente, die vergangenen Februar in der Nordsahara im Rahmen der "Marokko Mars Analog Feld Simulation" auf die Probe gestellt wurden.

ÖWF, Zanella-Kux
Sandra Häuplik-Meusburger und Polina Petrova vom Institut für Architektur und Entwerfen, Abteilung Hochbau 2 der TU Wien
Links:
- Deployable Emergency Shelter for Mars
- Marokko Mars Analog Feld Simulation
- Abteilung Hochbau 2, Konstruktion und Entwerfen, TU Wien
- Österreichisches Weltraumforum
- Thales Alenia Space
Ö1 Sendungshinweis:
Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 11.4., 13:55 Uhr.
Im aufgeklappten Zustand schaut die Konstruktion aus wie ein überdimensionaler Ball aus Stoff. Von welchem Szenario sind Sie bei der Planung ausgegangen?
Häuplik-Meusburger: Es sollte zwei Astronauten im Notfall eine temporäre Behausung bieten. Maximal 24 Stunden. Ein Notfall wäre etwa, wenn sich eine Person verletzt oder der Raumanzug kaputt geht. Die Behausung muss sich deshalb sehr schnell, also innerhalb von einer Minute aufbauen lassen. Sie muss leicht sein, damit sie Astronauten im zusammengeklappten Zustand auf dem Rücken transportieren können.
Auf welche Bedingungen mussten Sie bei der Planung für den Mars Rücksicht nehmen?
Petrova: Die wesentlichen Unterschiede zur Erde sind die deutliche geringere Schwerkraft, sehr unebenes Terrain und eine extrem dünne Atmosphäre, in der Wasser sofort verdampft. Wir haben deshalb auf sehr leichte High-Tech Stoffe gesetzt, die gleichzeitig sehr dicht, aber auch durchlässig sind. Das Unterteil, auf dem man liegen oder sitzen kann, besteht aus einer pneumatischen Matratze. Das Dach darüber braucht keine zusätzlichen Stützen.
Im Februar haben Sie einen Prototypen bei der internationalen "Marokko Mars Analog Feld Simulation“ in der Nordsahara getestet. Wie hat er abgeschnitten?
Petrova: Viel besser als erwartet. Er wurde sowohl von Studierenden als auch von Analog-Astronauten auf einer simulierten Mission getestet. Wir haben bereits im Vorfeld, also noch in Österreich, ein paar Änderungen durchgeführt. So haben wir mit dem Österreichischen Weltraumforum (ÖWF) in Innsbruck zusammengearbeitet, das einen Astronautenanzug entworfen hat und ihn ebenfalls in Marokko testen wollte. Der Anzug hat eine längere Antenne am Rücken, auf diese Besonderheit sind wir bei der Planung eingegangen.

ÖWF, Zanella-Kux
Haben Sie bei der Planung von Null angefangen, oder gibt es bereits Entwürfe oder Prototypen über Notbehausungen auf anderen Himmelskörpern?
Häuplik-Meusburger: Für den Mars gibt es meines Wissens noch keine derartigen Überlegungen. Allerdings wurden bereits ziemlich rasch nach den Apollomissionen zu Beginn der 1970er Jahre Ideen und Konzepte für eine ebenfalls auffaltbare Behausung auf dem Mond entwickelt. Das Ziel von diesen Habitaten war es allerdings, die Aufenthaltsdauer für Astronauten zu verlängern. Außerdem gab es ein Konzept für eine Art luftgefüllten, mit einem Zip verschließbaren Ball. Der sollte Shuttleastronauten für den Fall einer Havarie dienen. Mit ihm sollten sich Piloten von einem Shuttle innerhalb von ein paar Minuten in ein anders bewegen können.
Bemannte Marsmissionen scheinen erst in ein paar Jahrzehnten realistisch. Wieso machen sich bereits jetzt Architektinnen Gedanken über ein Nothabitat?
Häuplik-Meusburger: Weil es extrem spannend und inspirierend ist, für eine Umgebung zu planen, die sich so sehr von der Erde unterscheidet: etwa die Schwerkraft oder dass man Architektur für sehr beengte Verhältnisse konzipiert. Da muss man viel von dem, was man gelernt hat oder aus Erfahrung weiß, beiseitelassen. Das wirkt sich wiederum positiv auf das Lösen von architektonischen Herausforderungen hier auf der Erde aus.

ÖWF, Zanella-Kux
Kann man sich als Architektin auf Weltraumarchitektur spezialisieren?
Häuplik-Meusburger: Es gibt zwar mittlerweile einige Architektinnen und Architekten in dem Bereich, aber es ist trotzdem ein sehr kleiner Kreis. Die NASA, die ESA oder ähnliche Einrichtungen beschäftigen zwar Architektinnen und Architekten. Meist ist es aber nur Konsulententätigkeit. Es gibt aber natürlich mehrere Firmen, die Teilbereiche übernehmen. Eine bekannte ist zum Beispiel das italienisch-französische Unternehmen Thales Alenia Space. Die Turiner Niederlassung hat etwa einen Großteil der Module für die Internationale Raumstation (ISS) entwickelt und gebaut. Solche Unternehmen machen auch Studien für Mars- oder Mondmissionen.
Bei der Planung von Weltraummissionen ist Interdisziplinarität ja Voraussetzung. Mit welchen Disziplinen haben Sie sich ausgetauscht?
Häuplik-Meusburger: Eng zusammengearbeitet haben wir zum Beispiel mit Weltraummediziner von der ESA. Mit ihnen haben wir etwa Notfallszenarios entwickelt. Auch auf das Wissen von Strahlungsexperten und Ingenieuren an der TU haben wir zurückgegriffen. Das ist jetzt weniger interdisziplinär, aber von Architekten, die in Antarktis bauen, kann man sich viel abschauen. Schließlich haben wir uns auch mit Ideen von Science-Fiction-Autoren beschäftigt.
Würden Sie gern dabei sein bei der ersten Marsmission?
Häuplik-Meusburger und Petrova: Natürlich, sofort.
Interview: Anna Masoner, Ö1 Wissenschaft
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