Standort: science.ORF.at / Meldung: "Mit der Nadel gegen die Abhängigkeit"

Eine volle Spritze wird in die Luft gehalten.

Mit der Nadel gegen die Abhängigkeit

Süchtig bleibt man ein Leben lang, heißt es immer wieder, denn das Wissen über die Wirkung einer bestimmten Substanz birgt die Gefahr des Rückfalls. US-Forscher berichten nun von einer Impfung gegen Heroin, die diese Logik aushebelt: Ihre Inhaltsstoffe hindern das Suchtgift am Übertritt ins Gehirn.

Heroinimpfung 07.05.2013

Der Impfstoff sensibilisiere das Immunsystem für die chemischen Zerfallsprodukte von Heroin, schreibt das aus Suchtforschern, Neurobiologen und Immunologen bestehende Forscherteam des Scripps Research Institute im kalifornischen La Jolla in einer Studie. Die Wirkung bleibe aus und damit auch die Verlockung, während oder nach einer Therapie zum Suchtgift zu greifen, hofft Studienleiter Joel Schlosburg.

Die Studie:

"Dynamic vaccine blocks relapse to compulsive intake of heroin" erscheint zwischen 6. und 11. Mai 2013 in den "Proceedings of the National Academy of Sciences" (DOI: 10.1073/pnas.1219159110).

Substitution und Opiatblocker

Von allen derzeit im Umlauf befindlichen illegalen Drogen gehört Heroin noch immer zu jenen Substanzen, die am meisten Schaden mit sich bringen: körperlich, weil das Suchtmittel stark abhängig macht, aber auch sozial, weil die Beschaffung meist mit Kriminalität verknüpft ist.

Zur Behandlung einer Heroinsucht gibt es zwei Wege, die beide im besten Fall durch eine Verhaltens- bzw. Psychotherapie begleitet werden: Zum einen kann das Suchtmittel durch Medikamente mit ähnlicher Wirkung substituiert werden - mit dem Risiko, dass die Suchtsymptomatik bestehen bleibt und auch die Ersatzmittel missbräuchlich konsumiert werden.

Zum anderen gibt es seit einigen Jahren so genannte Opiatblocker, die die Rezeptoren für Heroin und andere opiathältige Substanzen lahmlegen. Diese Mittel haben aber den großen Nachteil, dass damit auch dem Effekt von körpereigenen Stoffen entgegengewirkt wird und beispielsweise das als Glückshormon betitelte Dopamin nahezu wirkungslos bleibt.

Klinische Tests bei mehreren Suchtmitteln

Mittlerweile werden Impfungen für mehrere Suchtmittel entwickelt - bei einigen lassen sich auch schon Erfolge vorweisen, schreiben Schlosburg und Kollegen. Impfungen gegen Kokain und Nikotin befinden sich laut ihren Angaben bereits im klinischen Test, ein Wirkstoff gegen Methamphetamine sei kurz davor. Das Ziel ist bei allen Suchtgiften dasselbe: die Substanz wirkungslos und damit die Einnahme unsinnig zu machen.

Eine Impfung gegen Heroin zu entwickeln stellte sich als besonders schwierig heraus, denn die Substanz zerfällt in maximal drei Minuten zu 6-Monoacetylmorphin, das im Gehirn seine berauschende Wirkung entfaltet. Die Forscher mussten also einen Impfstoff entwickeln, der das Immunsystem auch gegen die Zerfallsprodukte von Heroin mobilisiert und sie vor einem Übertritt ins Gehirn zerstört.

Tests an heroinsüchtigen Ratten erfolgreich

Das dürfte nun gelungen sein, denn die Wissenschaftler berichten von mehreren erfolgreichen Tests an heroinsüchtigen Ratten: Im ersten Versuch hatten die Tiere nach einer Abstinenzphase die Möglichkeit, durch das Drücken eines Hebels wieder an das Suchtgift zu kommen. Ähnlich wie es auch substanzabhängige Menschen beschreiben, verfielen die nicht geimpften Tiere sofort nach der ersten Dosis wieder dem Heroin. Die geimpften Ratten hingegen beließen es bei einer einmaligen Einnahme des Suchtgifts, nachdem keinerlei Wirkung eingetreten war.

Auch bei schwer abhängigen Tieren, die Heroin in immer höheren Mengen zu sich nahmen, zeigte sich dieser Effekt: Durch die Impfung verloren sie das Interesse am Suchtgift. Wie lange die Impfung ihre Wirkung behält, können die Forscher noch nicht sagen. Die Rattentests erstreckten sich auf drei Monate, für diese Zeit reichte eine Injektion. Joel Schlosburg und Kollegen suchen nun nach Sponsoren für klinische Tests, bei denen die Substanz am Menschen erprobt werden soll.

Ein Element der Suchtbekämpfung

Der Vorteil der Impfung gegenüber den Opiatblockern sei, dass der Körper für andere Opiate und auch körpereigene Botenstoffe sensibel bleibe. Körperliche Entzugserscheinungen könnten demnach parallel zur Impfung durch Schmerzmedikamente bekämpft werden.

Auch wenn die Forscher die Impfung als großen Fortschritt in der Suchtbekämpfung sehen, kann sie wohl nur ein Element der Therapie sein. Denn nachdem Tiere - bzw. zukünftig möglicherweise auch Menschen - für Ersatzstoffe wie Methadon und Schmerzmittel wie Buprenorphin und Codein sensibel bleiben, könnte sich der Missbrauch auf diese Substanzen verlagern.

Der Suchtmechanismus müsse deshalb auch psychologisch durchbrochen werden, betonen die Forscher, oder anders gesagt: ohne verhaltens- und psychotherapeutische Unterstützung keine Abstinenz.

Elke Ziegler, science.ORF.at

Mehr zum Thema: