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Waldlichtung

Der Duft des Waldes und das Klima

Pflanzen geben Tag für Tag hunderte verschiedene Stoffe in die Atmosphäre ab. Dort beeinflussen diese die Luftqualität und das Klima. Um die Prozesse genauer zu verstehen, wurde ein an der Universität Innsbruck entwickeltes Gerät auf eine Reise in den US-Bundesstaaat Colorado geschickt.

ÖAW Young Science 20.05.2013

Wissenschaftler wollten dabei die chemische Prozesse in der Atmosphäre verstehen und weitere Puzzlesteine zum Verfeinern von Klimamodellen liefern. Dass die Forscher dafür auch mal in Baumkronen herumklettern müssen, und wie ein Hagelsturm überraschende Erkenntnisse schafft, beschreibt die Physikerin Lisa Kaser in einem Gastbeitrag.

Spurenstoffe in der Luft messen

Von Lisa Kaser

Lisa Kaser auf einem Berg vor einer weitläufigen Landschaft mit Seen und Wäldern

Lisa Kaser

Über die Autorin:
Lisa Kaser, Jahrgang 1985, hat an der Leopold Franzens Universität Innsbruck Physik studiert (2004-2010). Im Jänner 2010 hat sie am Institut für Ionenphysik und Angewandte Physik (Universität Innsbruck) in der Arbeitsgruppe Umweltphysik von Prof. Armin Hansel ihr Doktoratsstudium begonnen. Seit Jänner 2011 ist sie DOC-fFORTE-Stipendiatin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Kaser untersucht in ihrer Dissertation, wie viele und in welcher Menge flüchtige organischen Stoffe von Wäldern in die Atmosphäre abgegeben werden.

Alles beginnt in einem Wald, einem Pinienwald inmitten des US-Bundesstaates Colorado. Es riecht nach Pinien - ein erstes Indiz dafür, dass mehr in unserer Luft liegt als nur geruchloser Stickstoff und Sauerstoff. Was diesen Geruch ausmacht und wie viel davon vom Wald kommt, ist schwierig zu messen, da es sich um viele verschiedene Einzelstoffe handelt, die in sehr geringen Mengen vorliegen.

Die Luft, die uns umgibt, die wir einatmen und ausatmen und zum Überleben brauchen, erscheint einfach, denn man sieht sie nicht. Hauptsächlich besteht sie aus Stickstoff und Sauerstoff, doch das ist lange nicht alles. Tausende verschiedene Stoffe befinden sich in kleinsten Mengen als Spurengase in der Luft. Sowohl Pflanzen als auch menschliche Aktivitäten (Industrie- und Verbrennungsprozesse) geben Tag für Tag verschiedenste chemische Verbindungen in die Atmosphäre ab. Viele dieser für das menschliche Auge unsichtbaren Stoffe beeinflussen unsere Luftqualität und das Klima.

Vor wenigen Jahren wurde im Rahmen einer Zusammenarbeit der Arbeitsgruppe Umweltphysik um Armin Hansel an der Universität Innsbruck und der Spin-off Firma Ionicon Analytik ein Gerät entwickelt, das diesen Spurenstoffen auf den Zahn fühlt. Dieses Gerät ist auf die Messung von flüchtigen organischen Verbindungen spezialisiert und kann in Bruchteilen einer Sekunde hunderte solcher Stoffe simultan detektieren. So konnten in den Sommermonaten 2010 bis 2012 hunderte verschiedene chemische Verbindungen im "Forschungswald" in Colorado aufgespürt werden. Mindestens 20 dieser Stoffklassen wurden direkt von den Pinien in die Atmosphäre abgegeben.

Duft von Nadelbäumen in der Atmosphäre

ÖAW Young Science:

Der Text ist Teil des Projektes Young Science, im Zuge dessen Gastbeiträge von jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Österreichischen Akademie der Wissenschaften erscheinen. Das Projekt ist eine Kooperation zwischen Ö1/science.ORF.at und der Akademie der Wissenschaften.

Das Messinstrument war von Innsbruck in die USA verschickt worden, wo es dann mitten im Pinienwald unterhalb eines Messturmes in einem Container wieder aufgebaut wurde.

Die Arbeitsgruppe Biosphere atmosphere exchange des National Center for Atmospheric Research (NCAR) hatte zuvor Wissenschaftler aus aller Welt eingeladen, ihre Messinstrumente mitzubringen, um gemeinsam der Frage nachzugehen, wie Biosphäre und Atmosphäre interagieren. Die Forscher erkletterten dabei einen 25 Meter hohen Turm, um direkt an Nadeln, Ästen und Stämmen zu messen.

Ein Hagelsturm und ein unerwartetes Ergebnis

Impressionen zum Projekt:

Eine natürliche Steinskulptur in einem Wald

Lisa Kaser

Messgeräte im Wald

Lisa Kaser

Versuchsgeräte beim Experiment

Lisa Kaser

Pflanzen sind die größte Emissionsquelle flüchtiger organischer Stoffe. Je mehr Licht zur Verfügung steht und je höher die Temperaturen in den Sommermonaten steigen, desto mehr Stoffe geben Bäume in die umgebende Luft ab. Das ist schon einige Zeit bekannt und konnte mit diesen Messungen bestätigt werden. Wie aber reagieren die Pflanzen unter Stress? Wie verändert sich das Emissionsverhalten durch einen Hagelsturm? Wie nachhaltig sind diese Veränderungen?

Nadelbäume synthetisieren sogenannte Monoterpene und speichern sie in ihren Nadeln, Ästen und Stämmen. Bei steigender Temperatur wird einerseits mehr von diesen Stoffen gebildet und andererseits entweichen diese Stoffe leichter in die Atmosphäre und sorgen für den typischen Waldgeruch. Durch einen heftigen Hagelsturm wurden in Colorado Nadeln und Zweige verletzt, ganze Äste lagen abgebrochen auf dem Boden.

Die Speicherreservoirs der Monoterpene wurden dabei ebenfalls verletzt und es wurde die fünffache Menge dieser Stoffe in die Atmosphäre abgegeben als am Tag vor dem Hagel. Selbst noch einige Tage nach dem Sturm wurden erhöhte Emissionswerte gemessen. Um ein besseres Verständnis für die Prozesse nach einem Hagelsturm zu erlangen, wurden Nadeln und Äste direkt verletzt und das veränderte Emissionsverhalten vermessen.

Das Schicksal der Spurenstoffe

Einmal in der Atmosphäre angekommen, beginnen diese flüchtigen Stoffe eine lange, teils noch unbekannte Reise. Manche sind hochreaktiv und leben nur wenige Augenblicke in der Atmosphäre. Andere wiederrum schweben jahrelang in der Luft. Was passiert mit diesen chemischen Verbindungen in unserer Atmosphäre und wie beeinflussen sie das Klima?

Bisher ist klar, dass sie auf freie Radikale treffen und von diesen oxidiert werden. Das bedeutet, dass sie Oxidationsprodukte bilden, die weniger flüchtig und somit klebriger werden und dadurch auf existierenden Partikeln kondensieren können. Diese sogenannten Aerosole haben einen direkten Einfluss auf das Klima, indem sie das Sonnenlicht reflektieren. Es gelangt also weniger Sonnenlicht auf die Erdoberfläche. Aerosole haben deshalb eine direkte kühlende Wirkung auf das Klima.

Wenn in der Luft gemeinsam mit den flüchtigen organischen Verbindungen Stickoxide vorhanden sind, bildet sich bodennahes Ozon. Ozon beeinträchtigt bei hohen Konzentrationen die Gesundheit von Menschen und Tieren und schädigt auch die Pflanzen.

Diese detaillierten Messungen sind wichtig, um globale Modelle der Pflanzenemissionen zu erstellen. Gemeinsam mit dem Verständnis der Prozesse in der Atmosphäre können die Modelle dann verwendet werden, um Luftqualität und den Einfluss auf das Klima global vorherzusehen.

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