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Ein Stacheldrahtzaun rund um ein KZ

Zwillings-KZ Loibl: Wende der Erinnerung

Lange verdrängt und fast vergessen: Auf dem Gelände des ehemaligen KZ Loibl im Süden von Kärnten findet am Samstag erstmals am Originalschauplatz eine Gedenkveranstaltung für die Opfer des NS-Regimes statt. Das Gelände wurde erst kürzlich von Archäologen der Universität Wien freigelegt.

Zeitgeschichte 07.06.2013

Die finanziellen Mittel dazu sind von der neuen Kärntner Landesregierung zur Verfügung gestellt worden, das Institut für Urgeschichte und Historische Archäologie der Uni Wien hat die Arbeit verrichtet.

Außenlager des KZ Mauthausen

24,5 Kilometer schlängelt sich die Loiblpass-Bundesstraße von Klagenfurt durch das sonnige Rosental und einen idyllischen Mischwald, vorbei an Wasserfällen, bis sie in den südlichen Karawanken in einen dürftig beleuchteten Betontunnel mündet. Der Loibl-Tunnel verbindet Kärnten mit Slowenien, seine beiden Enden stehen für zwei Wege der Erinnerung.

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Ö1 Sendungshinweis:

Über das Thema berichteten auch die Ö1 Journale, 7.6., 12:00 Uhr.

Grabungen der Uni Wien:

Seit einigen Jahren unternimmt ein Team des Instituts für Urgeschichte und Historische Archäologie der Uni Wien sowohl in Mauthausen als auch in Nebenlagern wie Loibl Nord und Gunskirchen archäologische Ausgabungen (auch in Rechnitz, dem Ort des Massenmordes an rund 150 ungarischen Juden), um noch vorhandene Überreste wieder sichtbar zu machen und um die Funde zu sichern. "Gerade die Untersuchungen jetzt am Loibl haben besondere Ergebnisse ergeben. Wir haben nun die komplette Umzäunung gefunden und eine Erhebung des Ist-Zustandes gemacht", meinte Instituts-Vorstand Claudia Theune-Vogt gegenüber Ö1.

Auf slowenischer Seite gilt seit Jahrzehnten: Gedenken. Auf Kärntner Seite galt bis vor kurzem: Verdrängen. Auf beiden Seiten des Tunnels stand von 1943 bis 1945 ein Konzentrationslager, das so genannte KZ Loibl, das Historiker mitunter als Zwillings-KZ bezeichnen.

Beim KZ Loibl handelte es sich um ein Außenlager des KZ Mauthausen in Oberösterreich. Vor 70 Jahren, am 3. Juni 1943, fand der erste Häftlingstransport auf den Loibl statt. Mehr als 1.600 Zwangsarbeiter, die meisten davon von den Nazis inhaftierte Mitglieder der französischen Resistance, aber auch Russen, Polen und Jugoslawen, mussten auf 1.400 Metern Seehöhe, bei bis zu minus 20 Grad und zwischen meterhohen Schneemassen einen Straßentunnel in den Berg schlagen.

KZ Loibl Nord: Im Vordergrund die Fundamente der Küchenbaracke, im Hintergrund schließt sich bis zur Böschung der ehemalige Appellplatz (ockerfarbene Schotter-Sandschicht) an

Claudia Theune-Vogt, Universität Wien

KZ Loibl Nord: Im Vordergrund die Fundamente der Küchenbaracke, im Hintergrund bis zur Böschung der ehemalige Appellplatz (ockerfarbene Schotter-Sandschicht)

Nicht nur die klimatischen Verhältnisse, auch die Umstände, unter denen Zwangsarbeit verrichtet werden musste, waren auf der Nordseite des Tunnels, in Kärnten noch menschenverachtender als im Süden. Wer zu flüchten versuchte, wurde erschossen. Wer zu schwach zum Arbeiten war, wurde entweder zurück nach Mauthausen transportiert, um dort umgebracht zu werden, oder am Loiblpass vom SS-Mann und Lagerarzt Sigbert Ramsauer, nach 1956 aus der Haft entlassen und zum Chefarzt des LKH Klagenfurt aufgestiegen, mittels Benzol-Spritze ins Herz getötet.

Verdrängt, vergessen, vernachlässigt

Menschenversuche, Hunger und Unterernährung, Misshandlungen und so genannte "Sportspiele", bei denen die geschwächten Insassen gegeneinander boxen mussten, standen an der Tagesordnung. An der Aufarbeitung der Geschichte des Loibl KZ zeigte die Kärntner Politik trotz jahrzehntelanger Bemühungen von Vereinen und Privatpersonen kein Interesse.

Die Gedenkveranstaltung auf der Südseite des Tunnels, in Slowenien, wo es bereits seit Jahrzehnten eine Gedenkstätte gibt, wurde in der Vergangenheit von den Kärntner Landespolitikern, beispielsweise vom ehemaligen Kärntner Landeshauptmann Gerhard Dörfler, nicht besucht. Obwohl beispielsweise im Jahr 2009 mit Bundespräsident Heinz Fischer und dem damaligen slowenischen Präsidenten Danilo Türk hochrangige Politiker anwesend waren.

Reste von Zaumpfosten und Stacheldraht im Bereich der Küchenbaracke

Claudia Theune, Universität Wien

Reste von Zaumpfosten und Stacheldraht im Bereich der Küchenbaracke

Wurzelwerk, Sträuche, Bäume und Stacheldraht

Weitere Gedenkprojekte in Kärntnen

Neben der Freilegung des ehemaligen KZ Loibl Nord wurden aus dem Kärntner Kulturbudget zuletzt einige weitere Denkmäler bzw. Gedenkstätten gefördert, die - neben den Zwangsarbeitern - an eine weitere NS-Opfergruppe erinnern: die Kärntner Slowenen und Sloweninnen. Unter anderem wurden ein Denkmal für die 227 vertriebenen Familien im ehemaligen Sammellager Ebenthal bei Klagenfurt und eine zweisprachige Gedenktafel für die Opfer der NS-Justiz beim Landesgericht errichtet. Viele der Opfer waren Widerstandskämpfer. Am Slowenischen Wissenschaftlichen Institut in Klagenfurt läuft derzeit ein Forschungsprojekt zur Gesamtopferzahl unter den Kärntner Slowenen und Sloweninnen. Mehr als 550 Volksgruppenangehörige dürften Opfer des NS-Regimes geworden sein - jene, die durch Euthanasie umgebracht worden sind, nicht eingerechnet.

Erst kürzlich wurde das Gelände des ehemaligen KZ Loibl von Archäologen der Universität Wien freigelegt, es war von Pflanzen überwuchert, hie und da stolperten Wanderer über alten Stacheldraht. Die Mittel für die Freilegung stammen aus dem Ressort von Kulturlandesrat Wolfgang Waldner, ÖVP.

"Im Land Kärnten hat sich in den vergangenen Monaten das erinnerungskulturelle Bewusstsein weiter entwickelt", sagt der Erziehungswissenschaftler Peter Gstettner von der Universität Klagenfurt, der sich seit knapp zwei Jahrzehnten mit dem Mauthausen Komitee Kärnten / Koroška um eine Gedenkstätte am Konzentrationslager Loibl bemüht.

Mit der Anschubfinanzierung von mehr als 54.000 Euro durch das Land Kärnten konnten nun die Reste von Waschbaracke, Appellplatz, Zisterne, Häftlingsblöcken und Zivillager freigelegt werden, so Peter Gstettner: "Das, was noch aussteht, ist eine würdige Gedenkstätte. Dazu gehört sicher auch, dass die Namen der am Loibl umgekommenen Häftlinge sichtbar gemacht werden - wir haben bisher 39 Namen recherchiert."

Flucht besser möglich als anderswo

Um die 40 Häftlinge des KZ Loibl starben bei den Arbeiten, wurden Opfer von Euthanasie oder bei der Flucht erschossen. Dutzende kamen nach dem Rücktransport im KZ Mauthausen um. Und dennoch: Aus keinem anderen KZ auf österreichischem Boden gelangen so viele Fluchten, wie vom KZ Loibl im deutsch-slowenischen Südkärnten.

Der Grund: Das KZ lag im Einzugsgebiet der widerständischen Partisanenbewegung, wer flüchten konnte, wurde von ihnen aufgenommen bzw. von der lokalen Bevölkerung unterstützt.

Tanja Malle, Ö1 Wissenschaft

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