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Zwei Hände, die ein magisches Ritual ausüben, im Hintergrund ein gleißendes Licht

Als Magie noch Teil der Wissenschaft war

Wissenschaftliches und magisches Denken schließen einander heute aus. Zu Beginn der Neuzeit im 15. und 16. Jahrhundert war das noch anders. Astrologie, Medizin und Naturphilosophie beschäftigten sich zugleich mit Wissenschaft und Magie, wie die Philosophin Susanne Beiweis in einem Gastbeitrag schreibt.

Philosophie 10.06.2013

Von Sternendämonen und Talismanen

Von Susanne Beiweis

Richten wir den Blick auf die Renaissance, so entfaltet sich ein Panorama von Denkern, in deren Werken der Magie ein wichtiger Platz zukommt. Zu dieser Gruppe zählten Philosophen wie Pico della Mirandola, Agrippa von Nettesheim und John Dee. Eine maßgebliche Quelle für ihre Untersuchungen bildete das 1489 erschienene Werk "De vita libri tres" des florentinischen Arztes, Philosophen und Priesters Marsilio Ficino.

Die Drei Bücher des Lebens handelten naturphilosophische und medizinische Themen ab, die mit astrologischem und astral-magischem Wissen verwobenen wurden. Das Buch war ein großer Publikumserfolg, wie 26 Auflagen in den 150 Jahren nach der Ersterscheinung zeigen.

Über die Autorin:

Porträtfoto der Philosophin Susanne Beiweis

privat

Susanne Beiweis ist Doktorandin am Institut für Philosophie der Universität Wien und schreibt ihre Dissertation zum Thema "Saturn und Talisman. Die widersprüchlichen Begriffe der Magie am Beispiel von Marsilio Ficinos De vita libri tres." Derzeit ist sie Junior Fellow am Internationalen Forschungszentrum Kulturwissenschaften (IFK) in Wien.

Veranstaltungshinweis:

Am 10.6. hält Susanne Beiweis einen Vortrag mit dem Titel "Sternendämon, Edelstein und Talisman. Analogie-Denken in Marsilio Ficinos De Vita Libri Tres".

Ort: IFK Internationales Forschungszentrum Kulturwissenschaften, Reichsratsstraße 17,
1010 Wien; Zeit: 18 Uhr c.t.

Links:

Literatur:

Die Synthese unterschiedlicher Kulturräume

In seinem Werk stellt Ficino der florentinischen Elite nicht nur einen Querschnitt von bis dahin wenig bekannten antiken und mittelalterlichen Magietheorien vor, sondern verbindet ägyptische, arabische, lateinische und griechische Quellen zu einer neuen Philosophie: Aus unterschiedlichen Traditionen wie dem Aristotelismus, Platonismus und Neuplatonismus entwickelt sich eine gelehrte Renaissancemagie.

Sie behauptet von sich, im Einklang mit den Lehren des Christentums zu stehen, erzeugt aber auch erhebliche Spannungen. Am besten lässt sich das durch die Konzepte von magia naturalis und magia daemonica veranschaulichen.

Minze, Koralle und Jupiter

Die magia naturalis untersucht natürliche, aber dem Menschen verborgene Kräfte der Natur wie den Magnetismus oder den Einfluss der Gestirne auf irdene Stoffe (z.B. Kräuter und Steine).

Sie alle hätten ihren Ursprung in Gott und standen daher auch nicht im Widerspruch zu christlichen Lehren: So beschreibt Ficino vornehmlich die medizinische Wirkung von Stoffen, die auf universeller Anziehung und Abstoßung basieren.

Minze und Koralle etwa würden in der Reihe des Jupiters stehen und sollen dabei helfen, seine Kraft in sich aufzunehmen und den Körper dadurch zu stärken.

Zeichen, Talismane und Saturn

Dem entgegengesetzt untersucht die magia daemonica die Beziehung zwischen Menschen und Dämonen - manche von ihnen sind als Planetengötter verkörpert. Es herrschte die Annahme, dass die Dämonen aktiv und willentlich auf den Geist wirken können. Um sich vor ihnen zu schützen, benützt der Magie Praktizierende Gegenstände wie Talismane, denen man Zeichen und Bilder von Himmelsfiguren auf- und eingeprägt hat.

Sie sollen es ermöglichen, die von den Sternendämonen ausgesendeten kosmischen Strahlen anzuziehen, zu bannen und auf den Träger zu übertragen. Bei Ficino geschieht dies mit der Absicht, die geistigen Qualitäten des Menschen positiv zu beeinflussen. So kann ein zur Stunde des Sonnendämons hergestellter Talisman dabei helfen, die durch den Planetendämon Saturn hervorgerufene Melancholie zu vertreiben.

Diese Praxis der Dämonenbeschwörung widersprach allerdings christlichen Lehren, da sie versucht, die göttliche Ordnung im Kosmos gezielt zu stören und zu manipulieren. Dennoch war Ficino bemüht, diese antike Tradition in sein kulturelles Umfeld zu integrieren, da er von ihrem therapeutischen Wert überzeugt war.

Vom widersprüchlichen Analogien-Denken

Die magia naturalis und magia daemonica gehen von unterschiedlichen metaphysischen Bedingungen aus. Der Theorie der magia naturalis zufolge versucht der Magie Praktizierende lediglich die natürlichen Stoffe zu kanalisieren, um mit ihnen die sterbliche Seele zu beeinflussen.

Anders ist es in der magia daemonica, in der der Magie Praktizierende mithilfe künstlicher Gegenstände aktiv in die göttliche Ordnung eingreift. Mithilfe von Talismanen sollen nicht nur bestehende Analogien - zwischen irdischem Gegenstand und himmlische Kräften - reproduziert, sondern in ihrer Wirkung auch gezielt unterbrochen werden. Hier verorten sich Ideen, die noch Jahrhunderte später in den Naturwissenschaften eine große Rolle spielen sollen.

Beide Formen der Magie finden sich in Ficinos De vita libri tres wieder und verzahnen sich geradezu ineinander. Die Spannung zwischen den Polen der magia naturalis und magia daemonica erzeugt jedoch nicht nur Paradoxien in Ficinos philosophisch-magischem Denken. Sie macht auch sichtbar, dass das Denken in Analogien von Störungen bedroht ist. Indem der Magie Praktizierende neue Zeichen in den Kosmos einführt, wird das System aus Analogie manipuliert und verändert.

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