Nach den Jahren 2011 und 2012 wäre dies das dritte extreme Schmelzjahr in Folge, berichten Forscher der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG). Sie vermessen regelmäßig den Massenhaushalt des Freya Gletschers in Nordost-Grönland.
Dunkles Eis absorbiert Sonnenenergie
ZAMG-Klimaforscher Daniel Binder: "Es liegt heuer in der gesamten Region so wenig Schnee, dass das Vorankommen mit den Schneemobilen fast unmöglich war. Bei den Messungen am Freya-Gletscher stellten wir im Winter 2012/13 eine mittlere Schneehöhe von 50 Zentimetern fest. Ein Jahr zuvor waren es um die gleiche Zeit 255 Zentimeter."
Ähnliche Ergebnisse gibt es auch von Forscherteams in anderen Regionen Grönland, so die ZAMG. Es sei zu befürchten, dass auch in einem durchschnittlich warmen Sommer die Gletscher Grönlands überdurchschnittlich stark schmelzen, erklärt Binder: "Nach dem Abschmelzen der schützenden Winterschneedecke kommt das dunkle Gletschereis wesentlich früher als sonst an die Oberfläche. Das dunkle Eis kann bis zu drei Mal mehr Sonnenstrahlung absorbieren wie Schnee. Somit verdreifacht sich auch die Abschmelzrate."

ZAMG/Daniel Binder
Durchschnittlich verliert der Freya-Gletscher einen halben Meter Eisdicke pro Jahr. Seine mittlere Eisdicke liegt bei rund 100 Meter. Die Massenverluste sind auf einem ähnlich hohen Niveau, wie die von der ZAMG jährlich vermessenen Gletscher in Österreich (die Pasterze am Großglockner und die Gletscher im Bereich des Sonnblick-Observatoriums).
Stabilere Wetterlagen in Europa
Die Ausdehnung des Meereises bei Grönland hat einen direkten Einfluss auf die großräumigen Wettersysteme im Bereich des Nordatlantiks und wirkt sich somit auch auf das Wetter in Europa aus. Die genauen Zusammenhänge und Auswirkungen sind laut ZAMG noch nicht ausreichend erforscht.
Erste Modellergebnisse weisen jedenfalls einen Zusammenhang zwischen dem schwindenden und dünneren polaren Meereis und lang anhaltenden Wetterlagen über Grönland und Europa hin. "Dadurch kann es beispielsweise in Europa zu besonders niederschlagsreichen Wintern kommen", sagt Daniel Binder im Gespräch mit science.ORF.at.
Video: Spontanentleerung des Gletschersees am A.P. Olsen Ice Cap in Grönland
Der Großglockner Grönlands
Seit dem Internationalen Polarjahr 2007/08 ist die ZAMG an Projekten an der Forschungsstation Zackenberg in Nordost-Grönland beteiligt, gemeinsam mit der Universität Innsbruck, der TU-Wien und internationalen Partnern aus der Schweiz, Dänemark und Großbritannien. Das Gebiet rund um die Zackenbergstation erinnert mit vielen geografischen Namen wie Pasterzengletscher und Großglockner an die österreichische Polarforschung durch Julius Payer im Rahmen der Zweiten Deutschen Nordpolarexpedition 1869/70.
Die Arbeiten der ZAMG in Grönland konzentrieren sich nach eigenen Angaben auf zwei Bereiche: Zum einen geht es um die Schmelze der küstennahen Gletscher in Nordost-Grönland, die bislang viel weniger untersucht wurden als der Grönländische Eisschild.
Das erfolgt unter anderem durch eine genaue und direkte Messung der Massenänderungen des rund sechs Quadratkilometer großen Freya Gletschers. Zusätzlich werden kontinuierlich Klimadaten mittels permanenter Wetterstationen am Gletscher gemessen. Zum anderen wollen die ZAMG-Forscher verstehen, warum sich Gletscherseen in Grönland jedes Jahr innerhalb kurzer Zeit entleeren.
science.ORF.at/APA
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