Das Urteil wurde von Experten daher als Kompromiss für die Biotechnik-Industrie gewertet.
"Produkt der Natur"
Der Fall drehte sich darum, dass der US-Firma Myriad Patente für zwei isolierte Brustkrebs-Gene zugesprochen worden waren, die bei der Diagnose genetisch bedingter Brustkrebsgefahr helfen sollen. Die Firma brachte entsprechende Tests auf den Markt. Patentierbar seien solche Gen-Sequenzen für Unternehmen aber nicht, urteilte der oberste Gerichtshof nun. Ein natürlich auftretender Teil der DNA sei ein "Produkt der Natur" und auch dann nicht patentierbar, wenn es isoliert wurde, heißt es in dem Urteil. Die Aktienkurse von Myriad stiegen nach der Entscheidung.
Nachweisbare Genmutationen bei Brustkrebs spielen inzwischen eine große Rolle bei Diagnosen, Therapien, aber auch bei weitgreifenden persönlichen Entscheidungen. Wegen der erblichen Vorbelastung und dem hohen persönlichen Risiko hatte sich zum Beispiel US-Schauspielerin Angelina Jolie kürzlich beide Brüste amputieren und künstlich wieder aufbauen lassen.
Auswirkung auf Europa?
Ö1 Sendungshinweis:
Über die Entscheidung berichtet auch Wissen Aktuell am 14.6. um 13:55.
In Europa ruft das Urteil Überraschung hervor. "Ich kenne das genaue Urteil noch nicht. Aber wenn menschliche Gene generell nicht mehr patentiert werden dürften, wäre das ein großer Erfolg für die Kritiker dieser Verfahren", sagte der deutsche Gentechnik-Experte Christoph Then. In Europa seien menschliche Gene im Moment patentierbar. "Einige Tausend Patente sind hier auch schon erteilt worden", ergänzte der Geschäftsführer des Vereins Testbiotech, der Genpatente kritisch beleuchtet. Auch das Unternehmen Myriad habe hier Patente erfolgreich angemeldet. "Klagen von Ärzten und Patienten dagegen sind hier abgewiesen worden", berichtete Then.
Er ist aber nicht sicher, ob das US-Urteil wirklich ein Durchbruch ist. "Wenn bestimmte Gen-Abschnitte nach wie vor patentierbar blieben, wäre es gar kein großer Unterschied zu Europa", sagte er. Wenn der Supreme Court sein Urteil aber generell alle menschlichen Gene einbeziehe, habe das sicher auch Einfluss auf die Rechtslage in Europa. "Die Rechtsprechung zu diesem Thema ist in den USA entwickelt worden und Europa hat sich bisher daran orientiert", sagte Then.
Das Europäische Patentamt in München sieht durch das Urteil keinen sofortigen Einfluss auf Regelungen in Europa. Patente auf menschliche Gene seien hier unter genau definierten und eingeschränkten Bedingungen möglich, sagte Sprecher Oswald Schröder. Es gebe eine bewährte gesetzliche Grundlage. Neue Regelungen müssten von EU-Gremien wie der Kommission, der Ratspräsidentschaft oder dem Parlament angestoßen werden.
Billigere Tests
Der Supreme Court lobte die Entdeckung der Krebsgene als bahnbrechend und wichtig. Aber das reiche als Grundlage für ein Patent nicht aus. Die Börsianer werteten die Entscheidung des Gerichts allerdings als eher positiv für die Biotech-Branche. Der Aktienkurs von Myriad Genetics stieg an der New Yorker Technologiebörse Nasdaq um 11 Prozent. Auch die Kurse von führenden US-Pharmakonzernen wie Pfizer oder Merck & Co. legten leicht zu.
Trotz der Kursentwicklung an der Börse zeigte sich Greg Castanias, Anwalt von Myriad, enttäuscht. "Richter Thomas meint, dass es sich um DNA aus unserem Körper handelt. Aber die Wahrheit ist, dass diese Moleküle auch im Labor hergestellt wurden", sagte er dem US-Radiosender "Here & Now".
Die Mehrheit der Stimmen aus den USA klingen allerdings positiv. Sowie die von Robert Darnell, dem Präsidenten des Genom-Zentrums in New York, der das Urteil begrüßt: "Es ermöglicht faire und gleiche Wettbewerbsbedingungen für einen offenen und verantwortungsvollen Umgang mit genetischen Informationen."
Auch für Privatleute scheint die Entscheidung des Gerichts eher erfreulich zu sein, denn nur wenige Stunden nach dem Urteil verkündete ein Unternehmen, dass es den Brustkrebs-Gen-Test in den USA für 995 Dollar (etwa 745 Euro) anbieten werde. Davor hatte Myriad Genetics das Monopol gehabt und 3000 Dollar verlangt.
science.ORF.at/dpa