Derzeit noch Schneereserven vorhanden
Von Heinz Slupetzky und Andrea Fischer
Die Vorgeschichte: Langjährig gesehen lagen die Juni-Temperaturen im Mittel (Quelle: ZAMG), trotz einer Hitzewelle in der Monatsmitte. Die Junihitze traf den Abbau der winterlichen Altschneedecke aber nur bedingt, denn ergiebige Schneefälle Anfang Juni unterbrachen für mehrere Tage die Abschmelzung des Altschnees.
Hatten schon diese Schneefälle in der Gletscherregion die eher geringen Winterschneemengen "konserviert", so sorgte eine zweite kühle Witterungszeit Ende des Monats für eine weitere schützende Schneedecke auf den Gletschern. Es schneite an der Alpennordseite bis 1.500 m herab, an der Station Rudolfshütte kamen in Summe 83 cm Neuschnee dazu; es war die Schafskälte, die statistisch mit größerer Häufigkeit im Juni auftritt.

Slupetzky/Fischer
Heinz Slupetzky ist Professor i. R. am Fachbereich Geografie und Geologie der Universität Salzburg. Er war Leiter der Abteilung für Gletscher- und vergleichende Hochgebirgsforschung sowie der Hochgebirgs- und Nationalparkforschungsstelle Rudolfshütte.
Andrea Fischer ist Gletscherforscherin am Institut für Interdisziplinäre Gebirgsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Innsbruck. Ihr Hauptforschungsgebiet sind Gebirgsgletscher und deren Änderung im Klimawandel.
Für science.ORF.at führt Heinz Slupetzky seit 2003 ein Gletschertagebuch - in diesen Jahren ging es mit dem Gletschereis stetig bergab, ein Ende des Trends ist nicht abzusehen.
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Die Schneehöhen Anfang Juli
Derzeit werden die tiefgelegenen Zungen der großen Talgletscher schneefrei, die Eisschmelze hat begonnen. Die längsten Tage haben wir hinter uns, jetzt scheint an jedem Tag die Sonne einige Minuten kürzer, dadurch kann die Schneeoberfläche über die Nacht immer länger auskühlen.

A. Fischer
Am Stubacher Sonnblickkees wurden am 1. Juli an einem Referenzmesspunkt in 2.500 m Seehöhe 2,45 m Schnee gemessen; das entspricht dem langjährigen Durchschnitt. Der Ausaperungsstand am Jamtalferner und Hintereisferner entspricht ebenso dem langjährigen Mittel, aber im Vergleich zu den letzten zwei, drei Jahren liegt deutlich mehr Schnee, weshalb die Ausaperung der Gletscherzungen verspätet vor sich geht.

A. Fischer
Bei der Pasterze sind es gegenüber dem Vorjahr 2012 zwei Wochen. Gletscher an der Alpensüdseite und damit leeseitig haben von den schneebringenden Nordströmungen im Juni nur wenig profitiert. Am Stubacher Sonnblickkees an der Nordseite des Alpenhauptkammes ist die Abschmelzung der Winterschneedecke gut vier Wochen gegenüber 2012 zurück.
Langfristig abnehmende Schneehöhen
Am Stubacher Sonnblickkees ist ein eindeutiger Trend zu geringeren Schneehöhen im Spätwinter und Frühjahr zu beobachten. Ein Anteil an diesem Betrag geht einerseits auf stärkere Setzung bei milderen Temperaturen zurück und andererseits fällt gegenüber den 1960er und 1970er Jahren schon im Mai ein größerer Prozentsatz des Niederschlages als Regen und nicht als Schnee; eine Schneehöhenabnahme ist daher nicht 1:1 gleichzusetzen mit einer Niederschlagsabnahme.

A. Theuermann
Der Abwärtstrend ist aber signifikant, er beträgt seit Anfang der 1970er-Jahre mehr als 1,5 Meter. Gegenüber Mitte der 1960er-Jahre sind es in der Größenordnung um 4 Meter weniger.
Nur vorläufig günstigere Voraussetzungen
Es wird spannend sein zu sehen, wie das Verhältnis zwischen positiven Faktoren – kühle Witterung mit Schneefällen – und negativen – Hitzewellen – in den kommenden zwei Monaten sein wird. Es kommt also auf den weiteren Witterungsverlauf an. Wird es Schneefälle geben, die das Eis wieder mehrmals überdecken?
Soweit die Wettermodelle in die nahe Zukunft rechnen, ist keine markante Abkühlung in den Alpen in Sicht, derzeit finden – für die Gletscher leider - die Kaltluftvorstöße nach Süden auf der anderen Seite des Globus statt, z.B. in Südalaska, Westkanada und Kamtschatka.
Mit der meteorologischen Singularität "Siebenschläfertag", die eigentlich die erste Juliwoche betrifft und nach dieser Bauernregel den Witterungscharakter in den nächsten sieben Wochen bestimmt, sollten die nächsten Wochen eher unbeständig, aber durchaus warm werden.

K. Mariacher
Die saisonale Prognose der ZAMG zeigt eine hohe Wahrscheinlichkeit für durchschnittliche bis unterdurchschnittliche Temperaturen. Allerdings ist man sich dabei bewusst, dass diese Prognosen in der Aussagekraft wesentlich schwächer sind als Wetterprognosen und größere Abweichungen möglich sind.
Aus dem Vergleich der Messreihen der Schneehöhen jeweils am 1. Juli und der Massenbilanzen des Stubacher Sonnblickkeeses am Ende des Sommers ist wohl erkennbar, dass die Chancen für einen wenig negativen Massenhaushalt größer sind, wenn die Mächtigkeit der Schneedecke durchschnittlich bis mäßig unterdurchschnittlich ist.
Bei über dem Mittel liegenden Schneehöhen sind positive Haushalte häufiger, es kann aber immer noch trotz "besserer" Voraussetzungen wie heuer schließlich doch zu einem Massenverlust kommen. Eine wirklich stark negative Bilanz sollte es aber nicht geben.
Wie auch sonst können die Gletscher regional unterschiedlich bilanzieren und man wird sehen, ob sich die Unterschiede aus dem Winterschnee zwischen Nord und Süd noch bemerkbar machen werden.
Anmerkung: Wanderer in hochalpinen Regionen müssen lange in den Sommer hinein mit ausgedehnten Schneefeldern rechnen - Vorsicht beim Überqueren!
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