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Alter Mann greift sich an den Kopf

Alzheimer: Kupfer schädigt das Gehirn

US-Forscher haben eine bisher unbeachtete Ursache der Alzheimer-Krankheit entdeckt. Laut Versuchen an Mäusen stört Kupfer in Blutgefäßen den Gehirnstoffwechsel. Das führt zur Bildung von schädlichen "Plaques" in der grauen Hirnsubstanz.

Medizin 20.08.2013

Auguste Deter war die erste Patientin, an der die Krankheit diagnostiziert wurde. Der deutsche Psychiater Alois Alzheimer dokumentierte ihre Verwirrung und ihre seltsamen Momente der Klarsicht: "Ich habe mich sozusagen verloren", sagte sie einmal.

Wie heißen Sie? Auguste.
Familienname? Auguste.
Wie heißt ihr Mann? Ich glaube ... Auguste.
Ihr Mann? Ach so.

Deter war ein Extremfall, ihr Gehirn bereits mit 50 Jahren durch Proteinablagerungen, sogenannte Plaques, weitgehend seiner höheren Funktionen beraubt. Gleichwohl kein Einzelfall: In einer milden Form tritt Alzheimer bei vielen auf, im Alter von 85 ist jede bzw. jeder Fünfte von Symptomen der Krankheit betroffen.

Laut Prognosen werden 2050 weltweit mehr als 100 Millionen Menschen an Vergesslichkeit, Sprachstörungen und Orientierungsverlust leiden. Es sei denn, die Wissenschaft findet einen Weg, die vorhergesagte Epidemie aufzuhalten.

Essenziell und toxisch

Die Studie

"Low levels of copper disrupt brain amyloid-β homeostasis by altering its production and clearance", PNAS (19.3.2013; 10.1073/pnas.1302212110).

Ö1 Sendungshinweis:

Dem Thema widmete sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 20.8., 13:55 Uhr.

Die letzte Studie von Rashid Deane könnte ein Schritt in diese Richtung sein. Der Neurowissenschaftler von der University of Rochester macht Kupfer zumindest teilverantwortlich für die sich im Alter einstellende Degeneration des Gehirns.

Was auf den ersten Blick bemerkenswert ist: Denn Kupfer ist für den menschlichen Körper essenziell. Wir benötigen das Element für die Reizleitung der Nerven, das Knochenwachstum und die Hormonproduktion. Der Bedarf lässt sich über das Trinkwasser und den Konsum von Fleisch, Nüssen, Früchten und Gemüse decken. An der falschen Stelle allerdings wird das Element zum Gift, wie Deanes Versuche an Mäusen zeigen.

Die Nagetiere erreichen das Seniorenalter nach zwei Jahren und sammeln im Laufe dieser Zeitspanne offenbar Kupfer in den Kapillaren des Gehirns an. Der Prozess lässt sich experimentell beschleunigen: Bekamen die Mäuse mit Kupfer versetztes Wasser zu trinken, waren sie bereits drei Monate später auf Seniorenniveau - mit weitreichenden Folgen.

Kupfer hemmt offenbar das Protein LRP1, eine Art Räumdienst im Gehirn. LRP1 bindet an Beta-Amyloid, den Hauptbestandteil der senilen Plaques im Gehirn, und eskortiert es zur Blut-Hirn-Schranke, damit es sich im Nervensystem nicht ansammeln kann. Kupfer stört nicht nur diesen notwendige Entsorgungsschritt, es regt seinerseits die Bildung von Beta-Amyloid an.

"Regt Bildung von Plaques an"

Dieser "one-two-punch" zeige, dass Kupfer ein Schlüsselfaktor der Krankheit sei, schreibt Deane in einer Aussendung,"Im Lauf der Zeit hemmt Kupfer jenes System, das Beta-Amyloid aus dem Gehirn entfernt", so der US-Forscher. "Das führt zur Bildung von Plaques, dem wohl wichtigsten Kennzeichen der Alzheimer-Krankheit."

Nachdem Kupfer auch positive Effekte auf den Körper habe, seien die Ergebnisse mit Vorsicht zu interpretieren. "Der Schlüssel ist die richtige Balance zwischen zu wenig und zu viel Kupfer. Wie hoch der richtige Betrag ist, können wir noch nicht sagen." Fest stehe: Bei der Entstehung der "Krankheit des Vergessens" dürfte die Ernährung eine bisher unterschätzte Rolle spielen.

Robert Czepel, science.ORF.at

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