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Senior beim Videospielen

Senioren: Klüger durch Videospiele

Ob Videospiele die geistige Leistungsfähigkeit verbessern, ist umstritten. Ältere Menschen profitieren davon, berichten nun US-Forscher: Autorennen an der Konsole verbessern ihre Aufmerksamkeit und ihr Gedächtnis.

Experiment 05.09.2013

Einst galt das Comic als suspektes Medium. Das ist lange her, mittlerweile sind Asterix, Tim und Struppi rehabilitiert. Abgeschafft wurde die alte Debatte gleichwohl nicht, sie erlebt eine Wiederauflage auf dem Bildschirm.

Nun wird das Videospiel kritisch beäugt: Wo die einen den Verfall der Kultur wittern, sehen die anderen eine harmlose, unter Umständen nützliche Zerstreuung. Unterfutter aus der Wissenschaft lässt sich leicht für beide Standpunkte finden, man muss nur selektiv sein.

Auswahl Contra: Videospiele vermindern das Schlafpensum und aggressive Kinder bevorzugen brutale Spiele.

Auswahl Pro: Videospiele schulen den Sinn für soziale Gemeinsamkeit, verbessern die Augen-Hand-Koordination und korrigieren möglicherweise Sehschwächen.

Die große Frage vermochten die genannten Studien freilich nicht zu beantworten. Könnte uns der Computer geistig versierter machen? Oder optimistisch formuliert: klüger? Nein, antworteten britische Forscher vor drei Jahren in "Nature" (Bd. 465, S. 775).

Sie hatten mehr als 11.000 Teilnehmer für Onlinetests rekrutiert und kamen zu dem Ergebnis: Gezieltes Training am PC habe zwar Effekte, aber es gebe keine Nebenwirkungen auf andere Bereiche. Das Gedächtnis, die Aufmerksamkeit, die Orientierung - all das lasse sich via Bildschirmtraining verbessern, aber eben nur einzeln. Die allgemeine geistige Verfassung, heiße sie nun "Intelligenz" oder "kognitive Leistung", werde dadurch nicht verändert.

Training mit dem "NeuroRacer"

Video rechts: "NeuroRacer"

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Die Studie:

"Video game training enhances cognitive control in older adults" ist am 4. Septembr 2013 in "Nature" erschienen.

Forscher von der University of California kommen nun zu einem anderen Ergebnis. Der Neurologe Adam Gazzaley ließ zunächst Probanden aller Altersklassen zu einem eigens programmierten Spiel namens "NeuroRacer" antreten.

Dabei geht es darum, ein Auto auf der Straße zu halten und gleichzeitig Knöpfe zu drücken, sofern ein Symbol auf dem Bildschirm aufscheint. Die Leistung beim Multitasking nahm mit dem Alter der Teilnehmer kontinuierlich ab - wie zu erwarten war.

In den nächsten Versuchen konzentrierte sich Gazzaley auf die Schwächsten im Teilnehmerfeld, die Probanden der Altersklasse 60 plus. Sie nahmen das Spiel nach Hause mit und übten. Vorgabe der Forscher: "Spielen Sie insgesamt zwölf Stunden an der Konsole, wir sehen uns in einem Monat wieder." Zurück im Labor hatten die Senioren ihr Spiel deutlich verbessert und schnitten so gut ab wie 20-Jährige.

Gedächtnis und Aufmerksamkeit verbessert

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Der Unterschied zeigte sich auch in ihrem präfrontalen Cortex, er war nun aktiver als zuvor. Die Hirnregion ist unter anderem an der Planung von Handlungen beteiligt und für das Gedächtnis wichtig. Möglicherweise ist das die Brücke zu einer weiteren Wirkung des Spiels, mit der nicht unbedingt zu rechnen war.

Wie Gazzaley im Fachblatt "Nature" schreibt, hatten die Senioren durch die Übung ihren Geist insgesamt erfrischt. Gedächtnis und Aufmerksamkeit waren nun klar verbessert, wie Tests zeigten. Dass auch Junge von dem Spiel profitieren könnten, hält der Neurologe für möglich. Das will er nun mit einer etwas schwierigeren Variante des "NeuroRacers" testen.

Einziger Schönheitsfehler: Das Autorennen wird nur an Gazzaleys Institut gespielt, in den Wohnzimmern dieser Welt regieren Playstation, Wii und Xbox. Könnten auch handelsübliche Spiele ähnliche Wirkung haben? Gazzaley ist überzeugt davon. "Ja, das ist auch mit Actionspielen möglich."

Robert Czepel, science.ORF:at

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