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Künslerische Darstellung: Gehirn im Kopf eines Menschen

Glückselig auf Knopfdruck

Neurologen haben das Gehirn einer Epilepsie-Patientin mit schwachen Strompulsen stimuliert und ein neuronales Wonne-Netzwerk entdeckt: Die Patientin reagierte auf die Behandlung mit Verzückung.

Neuro-Experiment 20.09.2013

Im Fall von Wilder Penfield ist der Begriff "Klassiker" wohl berechtigt. Der kanadische Chirurg war es, der als erster direkten Kontakt mit dem Geist in der Maschine aufgenommen hat. Und zwar bei Operationen an Epileptikern: Um herauszufinden, von welcher Region die Anfälle ihren Ausgang nehmen, öffnete er den Schädel seiner Patienten unter lokaler Betäubung und reizte deren Großhirnrinde mit feinen Drähten.

Die Reaktionen waren höchst unterschiedlich. Manchmal löste der elektrische Reiz Bewegungen aus, manchmal tauchten Erinnerungen in den Gedanken der Patienten auf und manchmal begannen diese zu halluzinieren: Sie sahen und hörten Dinge, die außerhalb ihre Kopfes nicht existierten.

"Ein süßer Schauer in den Armen"

Die Studie

"Induction of a sense of bliss by electrical stimulation of the anterior insula", Cortex (doi: 10.1016/j.cortex.2013.08.013).

Fabienne Picard von der Universitätsklinik in Genf befindet sich mit ihren Versuchen in Penfield'scher Tradition. Auch sie behandelt Epileptiker - und auch sie stimuliert mitunter das Hirngewebe ihrer Patienten, um mehr über deren Krankheit zu erfahren. Im Fall ihrer letzten Studie war der Anlass allerdings ein spezieller. Eine Patientin hatte berichtet, vor ihren Anfällen regelmäßig in ekstatische Zustände zu verfallen, mit "intensiven Gefühlen von Wonne und Wohlbefinden".

Wie Picard im Fachblatt "Cortex" schreibt, ließ sich diese Empfindung auch künstlich herstellen. Die elektrische Stimulation der vorderen Insula, ein Bereich der Großhirnrinde, löste bei der 23-jährigen Patientin eine "angenehm-lustige Empfindung" aus, begleitet von "einem süßen Schauer in den Armen". Das Ergebnis steht durchaus im Einklang mit früheren neurologischen Untersuchungen. Diese hatten gezeigt, dass die Aktivität der vorderen Insula mit Gefühlen der Wonne und Liebe im Zusammenhang steht, bei Gläubigen überdies mit der Empfindung, eins mit Gott zu sein.

Popkultureller Exkurs: Im Science-Fiction-Kanon ist das Motiv bereits vor mehr als 40 Jahren aufgetaucht, nämlich im Roman "Do Androids Dream of Electric Sheep?", der später von Ridely Scott als "Blade Runner" verfilmt wurde. Darin beschreibt der US-Autor Philip K. Dick einen überaus praktischen Wecker mit Neuronenschnittstelle, der den Hauptdarsteller nach dem morgendlichen Aufwachen automatisch in Hochstimmung versetzt. Markenname des Geräts: Penfield.

Robert Czepel, science.ORF.at

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