Standort: science.ORF.at / Meldung: "Klimawandel erreicht die Tiefsee"

Bläulich schimmernder Eisberg im Eismeer.

Klimawandel erreicht die Tiefsee

Die eisigen Tiefen der Grönlandsee erwärmen sich nach Angaben deutscher Forscher etwa zehnmal stärker als der Durchschnitt aller Weltmeere. Die Tiefsee dort werde seit Anfang der 1980er Jahre wegen veränderter Meeresströmungen nicht mehr gekühlt.

Grönland 24.09.2013

Das erklärte Raquel Somavilla Cabrillo vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) für Polar- und Meeresforschung am Dienstag in Bremerhaven. Die Wissenschaftler wollen jetzt weitere Erkenntnisse darüber sammeln, wie die Tiefsee auf den Klimawandel reagiert.

Die Daten der Studie, die die Forscher um Cabrillo nun in den "Geophysical Research Letters" veröffentlicht haben, stammen aus einem Langzeitprojekt des AWI. Sie decken den Zeitraum von 1950 bis 2010 ab und kombinieren historische Auswertungen mit den Ergebnissen von Forschungsfahrten in die Grönlandsee.

Die Studie

"Increasing amount of Arctic Ocean deep waters in the Greenland Sea", Geophysical Research Letters (27.9.2013; doi: 10.1002/grl.50775).

Sie zeigen, dass sich das Tiefenwasser des Meeres zwischen Grönland und Spitzbergen seit 1980 um 0,3 Grad Celsius erwärmte. "Das hört sich nach wenig an, aber wir müssen die Zahl in Relation zu der großen Masse der erwärmten Wasserschicht sehen", betonte Somavilla. Zudem entspreche des dem Zehnfachen der mittleren Temperatursteigerungsrate aller Ozeane.

"Kühlsystem" ist ausgefallen

Die Ozeane nehmen riesige Energiemengen aus der Atmosphäre auf und wirken dabei wie gigantische Wärmespeicher. Das Zusammenspiel zwischen Meeren und Luft spielt deshalb für den Klimawandel eine wichtige Rolle. Forscher führen auch die Tatsache, dass der Anstieg der Lufttemperatur zuletzt stagnierte, auf dieses Wechselspiel zurück. Es sei plausibel, dass sich das "Gesamtsystem" weiter erwärme, sagte der Vizepräsident des Deutschen Wetterdiensts (DWD), Paul Becker, erst am Montag bei einem Kongress in Hamburg.

Allein die in der Grönlandsee zusätzlich gespeicherte Energie reiche aus, um die Atmosphäre über Europa um vier Grad zu erwärmen, teilten die AWI-Forscher mit. Sie führen die Erwärmung der dortigen Tiefsee darauf zurück, dass sich die gesamte Zirkulation verändert hat. Früher habe der Ozean im Winter an der Oberfläche so viel Energie abgegeben, dass die ganze Wassersäule instabil geworden sei und kaltes Wasser in die Tiefe gesunken sei. Diese Kühlung funktioniere nicht mehr.

Nach Ansicht der Studienautoren sind dringend weitere Untersuchungen nötig, um die Rolle der Tiefsee im Klimawandel genauer zu verstehen. "Die tiefen Ozeane bilden durch ihr großes Volumen und durch ihre große Trägheit im Austausch mit der Atmosphäre mächtige Puffer für die Klimaerwärmung", erklärte die AWI-Forscherin Ursula Schauer.

science.ORF.at/AFP

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