Wie Menschen über Parteien und Bewegungen zum ersten Mal in diesem Ausmaß organisiert, mobilisiert und auch beeinflusst wurden, beleuchtet ab heute Abend das Symposion "Die Parteien und der Erste Weltkrieg" in Wien.
Mobilisierung der Massen
"Die neu entstandenen Massenbewegungen des frühen 20. Jahrhunderts sind ein Aspekt der Moderne", erklärte Maria Mesner, wissenschaftliche Leiterin des Bruno-Kreisky-Archivs, das als Teil der Plattform zeithistorischer politischer Archive die Konferenz mit veranstaltet.
Symposion
"Die Parteien und der Erste Weltkrieg",
6. bis 7. November, Veranstaltungssaal des Wissenschaftsministeriums, Freyung 3, 1010 Wien.
"Uns interessiert, wie die verschiedenen Institutionen – der Staat, die Parteien und auch die Presse – mit diesem Phänomen der Masse umgehen." Besonders deutlich sei diese Massenmobilisierung bei Beginn des Ersten Weltkriegs geworden, schilderte Mesner. Die Grundfrage des Symposions sei auch heute noch aktuell: Wie wird im Politischen mit Emotionen umgegangen?
Im Zentrum der Konferenz steht jedoch vor allem die Emotion vor und in den ersten Wochen des Ersten Weltkriegs und damit das Dilemma der Kriegsbegeisterung, die schon nach wenigen Monaten zunehmend schwand. "Keine der großen Lagerparteien spielte in den Kriegsplänen irgendeine hinderliche Rolle", meinte Mesner. "Dem nationalen Schulterschluss konnte sich keiner entziehen." Bei den Christlich-Sozialen, die traditionsgemäß hinter dem Kaiserhaus standen und den Deutschnationalen, die das "Supremat des Deutschtums" zur Not auch mit kriegerischen Mitteln verteidigen wollten, passte das jedoch weitaus besser ins Bild als bei den Sozialdemokraten.
"Idee eines gerechten Krieges"
Vorträge wird es im Zuge des Symposions zu allen drei Parteien geben, zudem werden auch die Reaktion der ungarischen politischen Elite und der tschechischen Parteien in Wien beleuchtet. "Vor und im Ersten Weltkrieg passierte sehr viel über die Presse", so die Zeithistorikerin. Die Parteien erreichten die Menschen aber auch durch eine wesentlich dichtere und kleinteiligere Organisation, etwa am Wohnort oder am Arbeitsplatz. Auch Aufmärsche spielten eine wesentlich größere Rolle als heute, Plakate – aufgrund der Zensur – im Ersten Weltkrieg jedoch eher weniger.
Außerhalb der institutionalisierten Politik reagierte man ebenfalls hauptsächlich mit Begeisterung auf den Krieg. Im zweiten Panel der Konferenz wird deshalb sowohl die Position der katholischen Kirche, als auch der Juden und Muslime beleuchtet. "Die katholische Kirche war eng mit den Habsburgern verbunden, man vertrat also durchaus die Idee eines gerechten Krieges", erklärte Mesner. Eine pazifistische Kraft suchte man in der Kirche vergeblich. Doch auch sonst sei die Friedensbewegung "erstaunlich marginal" geblieben, so die Zeithistorikerin weiter. Nur vereinzelt erhoben sich Stimmen gegen den Krieg – etwa aus Teilen der Frauenbewegung.
science.ORF.at/APA
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