Simon Rumpel vom Wiener Institut für Molekulare Pathologie (IMP) hat zusammen mit Post-Doc Brice Bathellier das Lernverhalten von Mäusen untersucht und theoretische Modelle entwickelt, um die Unterschiede im Lernen zwischen individuellen Mäusen besser zu verstehen. Die beiden Wissenschaftler wollten einen Konnex zwischen den im Verhalten der Mäuse nachweisbaren Lernprozessen und strukturellen Änderungen im Gehirn untersuchen.
Die Studie:
"Multiplicative reinforcement learning model capturing learning dynamics and interindividual variability in mice" erscheint am 18. November 2013 in den "Proceedings of the National Academy of Sciences" (sobald online).
Mäuse unterscheiden Töne
Nach aktuellem Forschungsstand geht man davon aus, dass die Bildung von starken Verbindungen zwischen Nervenzellen im Gehirn über Synapsen für die Speicherung von Gedächtnis- und Lerninhalten verantwortlich ist. Doch das geschieht von Individuum zu Individuum mit unterschiedlicher Schnelligkeit – das gilt auch für verschiedene Tierarten.
"Wir haben ein Lernmodell für Labormäuse etabliert. Sie sollen lernen, zwei Töne zu unterscheiden. Ertönt der eine (Ton A; Anm.), gibt es nachher eine Belohnung. Ertönt der andere (Ton B; Anm.), gibt es keine“, sagte Bathellier gegenüber der APA. Dabei war durchaus Geduld notwendig. Der Wissenschaftler: "Mäuse lernen nur sehr langsam, die beiden Töne zu unterschieden. Sie brauchen dazu gut 2.000 Wiederholungen des Experiments."
Unregelmäßige Lernkurve
Doch Bathellier, Rumpel und die übrigen Autoren machten bei ihren Experimenten eine interessante Beobachtung: "Es gibt offenbar einen Schwellenwert, ab dem die Lernkurve schnell ansteigt. Die Mäuse lernten ab der tausendsten Wiederholung plötzlich schneller." Die Lernkurve verläuft also nicht gleichmäßig, sondern stieg erst nach einer von Maus zu Maus unterschiedlich langen Trainingsdauer deutlich an.
Die Forscher formulierten daraus ein theoretisches Modell: Erst die Ausbildung starker Synapsen durch wiederholte Stimuli fördert den dann folgenden schnellen Wissenserwerb. Dabei wurde im Modell eine Lernregel verwendet, die zuvor durch die Beobachtung von Synapsen im Hirn von Mäusen gewonnen wurde: Große Synapsen ändern sich mehr als kleine Synapsen. Unter diesen Bedingungen hat dann die Verschaltung im Gehirn zu Beginn des Lernversuchs einen wesentlichen Einfluss auf die spätere Lernkurve.
Lernen macht Gehirn fit
Allerdings kann daraus nicht der Schluss gezogen werden, dass einmal vorgegebene strukturelle Stärken oder Schwächen der Verschaltung des Gehirns fixiert sind. Bathellier: "Wir haben das Experiment umgekehrt. Ton A brachte plötzlich keine Belohnung, jedoch sehr wohl Ton B. Und diese Umkehrung der Testanordnung erlernten die Versuchstiere schon viel schneller." Das bedeutet: Die bei der ersten Versuchsreihe angelegten neuronalen Verschaltungen im Gehirn wurden auch für das gegenteilige Experiment genutzt.
Ein Beispiel, dem der Wissenschafter im Gespräch mit der APA zustimmte: "Wer beispielsweise eine Fremdsprache erlernt hat, wird auch eine weitere schneller erlernen." Lernprozesse bereiten offenbar das Gehirn darauf vor, auch bei ähnlichen Herausforderungen fit zu sein.
Bathellier ist vor kurzem Laborleiter am staatlichen französischen Forschungszentrum CNRS in Gif-sur-Yvette bei Paris geworden und will nun dort auch das Erlernen von komplexeren Aufgaben durch Mäuse untersuchen und die dabei erfolgenden strukturellen Veränderungen im Gehirn direkt beobachten bzw. sichtbar machen.
science.ORF.at/APA