"Die schiere Zahl der zerrissenen, zerfetzten, zerschossenen Toten, die Schwere und Neuartigkeit der Verwundungen, die namenlosen, traumatisierenden Gräuel entziehen sich häufig der konzisen sprachlichen Fassung und der adäquaten Begrifflichkeit", schreibt Wolfgang Maderthaner, der Generaldirektor des Österreichischen Staatsarchivs, in seinen einleitenden "Anmerkungen zu einem zentralen Trauma der Moderne".
Maderthaner hat gemeinsam mit Archivar Michael Hochedlinger mehrere 100.000 Aufnahmen des Kriegsarchivs gesichtet und 300 herausragende Bilddokumente ausgewählt. Die meisten davon werden erstmals publiziert, da sie einst von der Zensur nicht freigegeben worden waren.
Das Buch:
Wolfgang Maderthaner und Michael Hochedlinger: "Untergang einer Welt. Der Große Krieg 1914 - 1918 in Photographien und Texten", Christian Brandstätter Verlag
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Österreichisches Staatsarchiv, Wien
Gräuel statt Heldengeschichte
Die für das "Kriegspressequartier" tätigen Fotografen sollten eigentlich "vermittels bildlicher Repräsentation der Kampfhandlungen und des soldatischen Alltags die Schrecken und Gräuel des modernen Maschinenkriegs ästhetisieren; dieserart sollte ein anschauliches, nachvollziehbares, von Männlichkeitskult und Todesmut gleichermaßen zeugendes Heldennarrativ kommuniziert werden", so Maderthaner.
Die Wirklichkeit sah anders aus - das wird in der Gegenüberstellung von Propagandabildern mit der grauenhaften Realität der Schlachtfelder, mit der Abfolge von davor und danach deutlich.
Aber auch die frappierende Gleichzeitigkeit eines Krieges der Vergangenheit, der mit Kavallerie und Säbel geführt wurde, und eines Kriegs der Zukunft samt Giftgas, Flammenwerfer und Panzer wird in dem Band "Untergang einer Welt. Der Große Krieg 1914 - 1918 in Photographien und Texten" herausgearbeitet.

Österreichisches Staatsarchiv, Wien
Eigenartige Aura
Gelitten und gestorben wurde in vielerlei Gestalt und an allen Fronten. Von den unterschiedlichsten Kriegsschauplätzen sind Momentaufnahmen des Grauens versammelt. "Eine eigenartige, eigenwillige Aura umgibt diese Bilddarstellungen. In ihrer Ästhetisierung der Vernichtung, in ihrer häufig hoch entwickelten formalen und kompositorischen Kompetenz, in ihrem Festhalten des bislang Undenkbaren geht von ihnen eine Faszination aus, der sich auch der kritische Blick nur schwer entziehen kann", schreibt Maderthaner.
Ergänzt werden die Fotos mit Textzitaten aus unterschiedlichsten Quellen, mit Reflexionen von Stefan Zweig und Franz Kafka, Auszügen aus "Die letzten Tage der Menschheit" von Karl Kraus, Joseph Roths "Radetzkymarsch" oder aus Jaroslav Haseks "Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk während des Weltkriegs", mit Zitaten aus Tagebüchern von Robert Musil oder Ludwig Wittgenstein, Reportagen von Egon Erwin Kisch und Aufzeichnungen von Oskar Kokoschka.

Österreichisches Staatsarchiv, Wien
Masse an Toten
Was beim Betrachten der Fotos immer wieder ins Auge sticht, ist die schiere Masse - an Verwundeten, an Gefallenen, an Gefangenen. Wie sehr sich die Heeresführung dabei verschätzte, zeigt ein fotografisches Vorhaben: Zu Anfang des Krieges plante man, jeden Gefallenen des österreichisch-ungarischen Heeres mit dem Abdruck seines Porträts samt biografischen Daten zu ehren.
"Auf dem Felde der Ehre 1914 - 1915" war auf 160 Bände angelegt. Das Projekt wurde nach den ersten 25.000 Fotos von Gefallenen eingestellt.
Wolfgang Huber-Lang, APA
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