Als Bild für die Ehe wählt der Psychologe Eli Finkel von der Northwestern University das "Besteigen eines Bergs mit zu wenig Sauerstoff" - allerdings nicht ohne hinzuzufügen, dass für jene, die den Gipfel dennoch erreichen, das Glücksgefühl heute größer sei als in der Vergangenheit.
Die Studie:
"The Suffocation of Marriage: Climbing Mount Maslow Without Enough Oxygen" ist im Journal "Psychological Inquiry" erschienen (DOI: 10.1080/1047840X.2014.863723 und wurde am 13. Februar 2014 anlässlich der Jahrestagung der "American Association for the Advancement of Science" präsentiert.
Drei Phasen
Der US-Psychologe sieht drei Phasen hinsichtlich Sinn und Zweck der Ehe: War sie im 18. und 19. Jahrhundert eine Institution, bei der es in erster Linie um die Erfüllung grundlegender Bedürfnisse wie jener nach Nahrung und Sicherheit ging und Liebe bzw. emotionale Zuneigung bestenfalls eine Nebenerscheinung war, änderte sich das mit dem beginnenden 20. Jahrhundert: Zwar blieb die Ehe eine Einrichtung mit dem Hauptzweck der ökonomischen Absicherung, Liebe und Partnerschaft begannen aber aufzuholen.
In den 1960er Jahren rückte der wirtschaftliche Aspekt schließlich vollkommen in den Hintergrund, neu hinzu kam die gegenseitige Unterstützung bei Selbstverwirklichung und -entfaltung. "In den heutigen Ehen in den USA sehen es die Partner als wichtigstes Ziel, dem bzw. der anderen dabei zu helfen, sich selbst zu finden und ihren Weg im Beruf zu gehen", sagt Finkel in einer Aussendung der Northwestern University.
Job und Kinder
Grundsätzlich bewertet der Psychologe diese historischen Verschiebungen als positiv, weil sie ganz neue Formen des Zusammenlebens ermöglicht haben. Gleichzeitig sieht er aber auch die Gefahr, dass immer mehr Menschen den neuen Zielsetzung nicht gerecht werden können: "Dem anderen bei seiner Selbstentfaltung zu helfen, braucht ein tiefes Verständnis für den Charakter des Partners bzw. der Partnerin. Dieses zu entwickeln, benötigt wiederum viel Zeit und Energie - und daran mangelt es heute immer mehr", schreibt Eli Finkel.
Paare mit Kindern investierten den Großteil ihrer Freizeit in den Nachwuchs, jene ohne Kinder konzentrierten sich auf den Beruf, heißt es in der Studie. Das Ergebnis: Ehepartner verbringen heute weniger Zeit allein mit dem bzw. der anderen als noch vor wenigen Jahrzehnen. Ausdruck dessen seien sowohl die hohen Scheidungsraten als auch jene Zahlen, die eine abnehmende Zufriedenheit von Ehepartner mit ihrer Situation belegen.
Dennoch plädiert der Psychologe - anlassgerecht zum Valentinstag - dafür, sich um das Erreichen der aktuellen hohen Ziele zu bemühen. Denn wenn es gelinge, das nötige tiefe Verständnis für den anderen zu entwickeln, sei eine heutige Ehe erfüllender, als es in der Vergangenheit je möglich gewesen sei.
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