Höchste Freuden
Die Studie im "Current Biology":
"Dissociation between Musical and Monetary Reward Responses in Specific Musical anhedonia" von Ernest Mas-Herrero et al., erschienen am 6. März 2014.
Wie sehr Musik die Menschen berührt, kann man zurzeit am anhaltenden Erfolg von Pharrell Williams sehen. Sein Hit "Happy" bringt seit Wochen die ganze Welt zum Tanzen und macht sie offenbar tatsächlich glücklich - zumindest für knappe vier Minuten. Unzählige nachgedrehte Videos (auch in Wien) zeugen davon. Eingängige Klänge können offensichtlich euphorisieren und zum Mitwippen animieren, manchmal auch trösten oder uns zum Weinen bringen.
Laut den Forschern um Ernest Mas-Herrero zählt Musik daher generell zu den höchsten menschlichen Freuden. Kulturell und sozial ist sie extrem wichtig, obwohl sie anscheinend keinerlei biologischen Nutzen hat, wie etwa Essen oder Sex. Jedenfalls dachte man bisher, bei der unmittelbaren emotionalen Reaktion auf Musik handle es sich um etwas Universelles - eine Eigenschaft, die allen Menschen bereits in die Wiege gelegt wird. Und Ausnahmen gebe es maximal bei neurologischen oder psychischen Problemen.
Dazu zählt beispielsweise die Amusie. Betroffenen fehlt einfach die Fähigkeit, Musik wahrzunehmen. Auch Menschen mit Anhedonie empfinden Musik nicht als angenehm. Sie können generell weder Freude noch Lust fühlen. Das kann beispielsweise das Symptom einer Depression sein, auch psychiatrische Erkrankungen oder Substanzmissbrauch sind mögliche Ursachen.
Mehr oder weniger berührend
Den Forschern zufolge gibt es natürlich zudem große interindividuelle Unterschiede, wie sehr jemand auf Musik reagiert. Das liegt nicht nur am persönlichen Geschmack, sie spricht einfach nicht zu allen in gleicher Weise. Manche brechen bei jeder Schnulze in Tränen aus, andere bleiben selbst beim mitreißendsten Rhythmus völlig regungslos. Möglicherweise leiden letztere an einer selektiven Anhedonie, nämlich einer rein musikalischen. Dass es so etwas tatsächlich gibt, ist zwar kaum zu glauben, die Wissenschaftler wollen es aber nun experimentell nachgewiesen haben.
Basierend auf ihrer musikalischen Sensibilität, welche mit Hilfe eines Fragebogens, dem Barcelona Musical Reward Questionnaire, erhoben worden war, haben die Forscher die Probanden schon vorab drei Gruppen zugeordnet. Der Test ist frei zugänglich im Internet - für alle, die herausfinden wollen, ob sie stark, durchschnittlich oder kaum emotional auf Musik reagieren. Gleichzeitig wurde sichergestellt, dass die Teilnehmer keinerlei Wahrnehmungsprobleme haben, an keiner generellen Anhedonie leiden und ähnlich auf Belohnungen ansprechen.
Individuelles Belohnungssystem
Die Untersuchung bestand aus zwei Experimenten: Beim ersten ging es um die individuelle Reaktion auf Musik. Die Probanden mussten die emotionale Wirkung nicht nur subjektiv einordnen, auch ihr Herzschlag und die Leitfähigkeit ihrer Haut wurden gemessen - zwei Indikatoren für emotionale Erregtheit. Das zweite Experiment war ein Reaktionstest. Dabei sollten die Teilnehmer möglichst schnell sein, um entweder Geld zu gewinnen oder nicht zu verlieren. Man weiß, dass derartige Tests das Belohnungszentrum im Hirn aktivieren und vermehrt Dopamin, ein wichtiger Hirnbotenstoff, ausgeschüttet wird. Erneut wurde die emotionale Reaktion gemessen.
Die Ergebnisse waren den Forschern zufolge eindeutig: Manche, ansonsten kerngesunde und glückliche Menschen, reagieren einfach nicht auf Musik. Die monetäre Belohnung hatte hingegen sehr wohl emotionale Wirkungen. Das menschliche Belohnungssystem ist demnach individueller gestrickt als bisher angenommen, das gilt sogar für die angeblich universale Sprache der Musik. Dieser Umstand könnte auch für den Alltag und die klinische Praxis von Bedeutung sein: "Das legt nahe, dass man das Belohnungssystem auf unterschiedliche Weise ansprechen kann und dass für jede einzelne Person bestimmte Wege effektiver sind als andere", erklärt Co-Autor Josep Marco-Pallarés.
Eva Obermüller, science.ORF.at