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Drei Kleinkinder, zwei davon reißen die Arme in die Höhe

Logik: Dreijährige besser als Erwachsene

Der Zirkelschluss taugt nicht als Begründung - diese logische Grundregel erkennen bereits dreijährige Kinder, wie ein Experiment zeigt. In manchen Fällen sind sie dabei sogar besser als Erwachsene.

Psychologie 10.03.2014

"Kommunikation ist ein mächtiges Werkzeug - aber auch ein gefährliches. Denn während sie uns dabei hilft, Informationen zu erwerben, kann sie auch zu Lüge, List und Manipulation führen", sagt der französische Philosoph und Psychologe Hugo Mercier.

Er ist der Ansicht, dass wir alle mit einem Filter durch die Welt gehen, der es uns ermöglicht, gute von schlechten Argumenten zu trennen. Gäbe es diesen Filter nicht, wären wir den Manipulationsversuchen der anderen hilflos ausgeliefert.

Experiment: Hund wird vermisst

Die Studie

"Early sensitivity to arguments: How preschoolers weight circular arguments", Journal of Experimental Child Psychology (doi: 10.1016/j.jecp.2013.11.011).

Wie Mercier in einer aktuellen Studie schreibt, entwickeln sich die erstens Bausteine dieser kritischen Wachheit bereits im Vorschulalter. Er und seine Kollegen von der Universität Neuchatel baten drei- bis fünfjährige Kinder sowie Erwachsene ins Labor und konfrontierten sie mit einer Notsituation, dargestellt durch Playmobilfiguren auf einem Bildschirm.

Das Setting: Das Mädchen Marta vermisst ihren Hund und bittet den Zuschauer um Hilfe. Kurz darauf erscheinen auf dem Bildschirm zwei Zeuginnen, die vorgeben den Hund gesehen zu haben. Zeugin 1 zeigt nach links und sagt: "Der Hund ist in diese Richtung gelaufen, weil ich ihn dabei beobachtet habe." Zeugin 2 zeigt nach rechts und sagt: "Der Hund ist in diese Richtung gelaufen, weil er in diese Richtung gelaufen ist." Frage des Experimentators: Wem von beiden ist eher zu trauen?

Sowohl die Kinder als auch die Erwachsenen fanden den Zirkelschluss von Zeugin 2 wenig überzeugend und glaubten in der Mehrzahl der anderen Frau. Interessanterweise gab es unter den Fünfjährigen und Erwachsenen (nicht aber unter den Dreijährigen) ein paar, die sich in sämtlichen Versuchsrunden für Zeugin 2 entschieden. Mercier glaubt, dass die Logik in diesem Fall vom sozialen Empfinden überlagert wird: Behauptungen durch Wiederholung zu "begründen" klinge für manche wie der autoritäre Satz "Das ist so, weil ich es sage." Diese Wahrnehmung ist Dreijährigen offenbar noch nicht gegeben. Sich dauerhaft gegen die Logik zu entscheiden, dürfte ein Privileg der Älteren sein.

Argumente: Waffe oder Weisheit?

Dieser Befund fügt sich in eine Theorie, die Mercier mit seinem Kollegen Dan Sperber entwickelt hat und vor drei Jahren für beträchtliches mediales Echo sorgte. Die beiden sind der Ansicht, dass die menschliche Vernunft nicht entstanden ist, um die Wahrheit über die Welt herauszufinden. Sondern nur deshalb, weil folgerichtiges Denken Überzeugungskraft verlieh: Argumente sind nach Ansicht der beiden ein Werkzeug, um Debatten zu gewinnen. Freilich könne dieses Mittel zur Macht auch dem Erkenntnisgewinn dienen, aber das sei ein Nebeneffekt, mehr nicht.

Dass diese provokante Fußnote unter die Geschichte der hehren Wissenschaft nicht von allen gut geheißen wird, versteht sich von selbst. Darcia Narvaez, Psychologin an der Notre Dame University in Indiana sagte 2011 gegenüber der New York Times: "Die Theorie passt in den Mainstream der Evolutionspsychologie, die momentan alles durch Eigennutz und Manipulation erklärt. Ein Ansatz, der aus meiner Sicht verrückt ist."

Gleichwohl gibt es auch Befürworter. Jonathan Haidt von der New York hält die Arbeit der beiden für "wichtig", weil sie unsere Denkfehler offen lege. Das nütze der Vernunft anstatt ihr zu schaden.

Und die Theorie selbst - ist sie wahr oder nur ein Werkzeug, um andere Wissenschaftler zu überzeugen? Beides, sagt Mercier im Gespräch mit science.ORF.at. "Wenn wir Recht haben, dann hat die Theorie andere überzeugt. Allerdings auf Basis guter Argumente: Unsere Fachkollegen sind nicht unbedingt von der gutgläubigen Sorte, das können Sie mir glauben!"

Robert Czepel, science.ORF.at

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