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Oberfläche des Planeten Merkur

Merkur, der Schrumpfplanet

Die Oberfläche von Merkur ist zerklüftet. Nicht nur wegen der vielen Asteroideneinschläge, sondern auch, weil sich der Planet stark abgekühlt hat. Der Radius des Merkurs ist dadurch in den letzten vier Milliarden Jahren um sieben Kilometer geschrumpft, berichten Forscher.

Geologie 16.03.2014

Der Merkur ist ein Planet der Extreme. Er ist nicht nur der sonnennächste, kleinste und schnellste Planet im Sonnensystem, er ist auch derjenige mit den größten Temperaturunterschieden. Die Hitze erreicht untertags mehr als 400 Grad, nachts kann es auf bis zu 170 Grad unter null abkühlen.

Wobei "Tag" und "Nacht" eine etwas andere Bedeutung haben als auf der Erde. Merkur rotiert zwar, aber er rotiert sehr langsam, weswegen ein Merkurtag zwei Mal so lang ist wie ein Merkurjahr.

Dünner Mantel, dicker Kern

Extrem ist auch des Merkurs Aufbau: Sein metallischer Kern ist mit einem Radius von 2.000 Kilometer äußerst voluminös, Mantel und Kruste mit 400 Kilometern Dicke hingegen vergleichsweise schmächtig gebaut.

Der Radius ist eine Größe, die Forscher bereits seit den 70ern beschäftigt, seit die Raumsonde Mariner 10 den Planeten überflog und rund 45 Prozent seiner Oberfläche kartierte. Schon damals fiel auf: Merkurs Antlitz ist von Narben übersäht; Geländestufen, Kämme und Furchen durchziehen seine Oberfläche.

Die Studie:

"Mercury’s global contraction much greater than earlier estimates" von Paul Byrne und Kollegen ist am 16.3.2014 in "Nature Geoscience" erschienen.

Detail der Merkuroberfläche

NASA/Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory/Carnegie Institution of Washington

Merkuroberfläche: Grün und gelb zeigen Erhebungen an, Vertiefungen sind blau

Warum? Weil sich das Krustengestein großräumig verschoben hat, schlossen die Forscher. Als Nebeneffekt dessen hätte der Merkur auch schrumpfen müssen - was er zweifelsohne auch tat: Laut den Messungen der Mariner-Mission sollte sein Radius in den letzten vier Milliarden Jahren ein bis zwei Kilometer kleiner geworden sein. Allerdings gab es auch Modelle, die die stetige Abkühlung des Merkur berücksichtigten. Und diese "thermischen Modelle" sagten eine viel größere Schrumpfung vorher, nämlich fünf bis 10 Kilometer.

Rätsel nach 40 Jahren gelöst

40 Jahre später können Forscher den offensichtlichen Widerspruch endlich auflösen. Ein Team um den Planetenforscher Paul Byrne hat nun die Daten der Messenger-Mission ausgewertet. Die NASA-Sonde ist im Frühjahr 2011 in die Umlaufbahn des Merkur eingeschwenkt, hat den Planeten im Laufe der folgenden zwölf Monate u.a. mit Laserpulsen vermessen und all jene Lücken (immerhin 55 Prozent der Gesamtoberfläche) geschlossen, die dereinst von Mariner hinterlassen wurden. Wie Byrne und seine Kollegen im Fachblatt "Nature Geoscience" schreiben, sind Kontraktion und Abkühlung nicht länger ein Widerspruch.

Die Daten von Messenger beziffern die radiale Schrumpfung des Merkurs nun mit sieben Kilometern. Damit sind Messung und Modell vereint, sagt Sean Solomon von der Columbia University, ein Koautor der Studie. "Es ist großartig, dass unser theoretisches Verständnis endlich durch geologische Daten bestätigt wird."

Die Debatte über die Schrumpfung des Merkurs ist auch eine kleine Reminiszenz an die Frühzeit der modernen Geologie. Im 19. Jahrhundert nahmen Forscher an, die Gebirge auf der Erde seien durch Abkühlung und Schrumpfung unseres Planeten entstanden. Die Theorie wurde erst mit Aufkommen der Plattentektonik im 20. Jahrhundert obsolet. Beim kleinsten Planeten unseres Sonnensystems indes ist sie immer noch aktuell. Denn Merkurs Lithosphäre besteht tatsächlich aus nur einem Schalenstück, das dessen Oberfläche nahtlos umspannt.

Robert Czepel, science.ORF.at

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