Standort: science.ORF.at / Meldung: "Gentech-Mais hilft nicht gegen Schädling"

Ein Maiskolben

Gentech-Mais hilft nicht gegen Schädling

Gentechnisch veränderter Mais hat als große, wenngleich umstrittene Hoffnung im Kampf gegen den Maiswurzelbohrer gegolten. Laut US-Forschern hat sich dieser Ansatz nicht bewährt: Denn mittlerweile ist der Schädling gegen das von der Pflanze produzierte Gift resistent.

Umwelt 18.03.2014

"Diese Entstehung von Resistenzen könnte alle Vorteile, mit denen gentechnisch verändertes Saatgut bisher verkauft wurde, verschwinden lassen", schreiben Aaron Gassmann und seine Kollegen von der Iowa State University. Erst im Februar hatte die Maissorte 1507 des Saatgutkonzerns Pioneer für Aufsehen gesorgt, weil die EU-Kommission die Zulassung in allen EU-Staaten angekündigt hat.

Gift oder Gentechnik

Die Studie:

"Field-evolved resistance by western corn rootworm to multiple Bacillus thuringiensis toxins in transgenic maize" erscheint am 17. März 2014 in den "Proceedings of the National Academy of Sciences" (DOI:10.1073/pnas.1317179111).

Ö1 Sendungshinweis:

Über die Studie berichtete auch "Wissen Aktuell" am 18. März 2014 um 13.55 Uhr.

Er ist klein und unscheinbar, dennoch hat der Maiswurzelbohrer auch österreichischen Landwirten schon so manche schlaflose Nacht beschert: Seine Larven fressen die Wurzeln von Maispflanzen, weshalb die Gewächse entweder vertrocknen oder gleich umkippen. Der ausgewachsene Käfer verspeist mit Vorliebe die jungen Kolben.

1992 wurde der aus Nordamerika stammende Schädling das erste Mal in Europa gefunden, 2002 gingen die ersten Exemplare in Österreich in die Falle. Seither verbreitete sich der Käfer in allen heimischen Maisanbaugebieten und sorgt für massive Ernteausfälle. In Österreich wurden in der konventionellen Landwirtschaft vor allem Neonicotinoide gegen den Schädling eingesetzt, sie wurden allerdings im August 2013 verboten, weil sie im Verdacht stehen, auch Bienen massiv zu schädigen.

Eine andere Strategie wurde in den letzten Jahrzehnten in den USA verfolgt: Dort setzte man auf die "grüne Gentechnik" und entwickelte Saatgut inklusive Bacillus thurgingiensis. Das Bakterium produziert Giftstoffe, die den Maiswurzelbohrer töten sollen.

Resistenzen und Verbreitung nehmen zu

Ein Exemplar des Maiswurzelbohrers

APA

Ein Exemplar des Maiswurzelbohrers

2003 wurden die ersten derartigen Maissorten in den USA zum Anbau zugelassen, und in den ersten Jahren schien die Strategie auch zu greifen, weshalb immer mehr Landwirte auf das gentechnisch veränderte Saatgut zurückgriffen. Aber schon 2009 meldeten die ersten Bauern in Iowa Fraßschäden an den Wurzeln. Schon damals analysierten Grassmann und Kollegen die Schädlinge und stellten eine Resistenz gegen ein spezielles, von den Maispflanzen produziertes Toxin fest (Studie in "Plos One").

Nachdem auch in den Nachfolgejahren die Schadensmeldungen zunahmen, schwärmten die Forscher im Jahr 2011 noch einmal aus und sammelten von weiteren Feldern Proben. Die nun vorliegende Auswertung zeigt, dass die Käfer mittlerweile auch gegen ein zweites, vom gentechnisch veränderten Mais produziertes Toxin resistent geworden sind - und nicht nur das: Beide Resistenzen scheinen sich rasant zu verbreiten. Die Zahl sowohl der eingesammelten resistenten Insekten als auch der geschädigten Felder stieg deutlich an: Waren 2009 noch drei Felder im Analysegebiet der Wissenschaftler betroffen, waren es 2010 schon sieben und 2011 bereits 15.

3,6 Generationen für eine Resistenz

Laut Berechnung der Forscher brauchen die Schädlinge im Schnitt 3,6 Generationen, um eine Resistenz zu entwickeln. Da sie sich im Einjahreszyklus fortpflanzen, reichen schon vier Jahre, um die Maispflanze trotz veränderten Erbguts anknabbern zu können - "rasant" nennen die Forscher diese Anpassungsfähigkeit.

Als Alternativen zeigen sie zwei Möglichkeiten auf: Entweder man erhöhe die von der Pflanze produzierte Giftdosis, damit über 99 Prozent der Larven und Käfer getötet werden und sich Resistenzen dadurch nicht mehr verbreiten können. Oder man müsse auf Fruchtfolge umstellen, also nicht über Jahre hinweg immer nur Mais anbauen. Denn die Eier des Maiswurzelbohrers überwintern in der Erde, die Larven können sich nur dann entwickeln, wenn sie junge Maiswurzeln als Futter vorfinden. Wächst im nächsten Jahr eine andere Pflanze, verenden sie.

Wirkung auf andere Insekten

Davon abgesehen, dass Fruchtfolge auch hinsichtlich anderer Faktoren wie Bodenbelastung die umweltverträglichere Variante ist, würde eine höhere Giftdosis noch die Frage aufwerfen, wie Insekten, Schmetterlinge, andere Käfer und Würmer damit zurechtkommen würden.

Denn bisher wurde der Einsatz des gentechnisch veränderten Maises - zuletzt auch in der Debatte über die Zulassung in Europa - so verteidigt, dass die Giftdosis derart gering sei, dass andere Insekten keinen Schaden nehmen würden. Die nun vorliegende Studie führt diese Argumentation ad absurdum.

"Lauf der Natur"

Pioneer, der Hersteller des in der EU vor der Zulassung stehenden Maissaatguts, betont auf Anfrage, dass das Unternehmen mit einem anderen Giftprotein arbeitet als in der Studie untersucht. Gleichzeitig räumt der Unternehmenssprecher für Europa, Joszef Mate, ein, dass es immer wieder zu Anpassungen durch die Insekten kommen könne - "das ist der Lauf der Natur". Auf Feldern mit Pioneer-Saatgut habe man Derartiges aber noch nicht beobachtet.

Ob dann der Einsatz von gentechnisch manipuliertem Saatgut überhaupt noch sinnvoll ist, diese Frage muss nicht zuletzt die EU-Kommission demnächst beantworten.

Elke Ziegler, science.ORF.at

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