Anlässlich des Starts der jährlichen Impfkampagne plädiert der stellvertretende Leiter des Instituts für Parasitologie an der Veterinärmedizinischen Universität Wien im Gespräch mit science.ORF.at für die Immunisierung. Der milde Winter und warme Frühling werden seiner Einschätzung nach keine ausgeprägte "Zeckensaison" bringen.
FSME-Erkrankungen 2013:
98 Menschen sind 2013 an der Frühsommer-Meningo-Enzephalitis (FSME) erkrankt, ein Oberösterreicher ist an dieser Entzündung des Gehirns und der Gehirnhäute gestorben. Laut Angaben des Instituts für Virologie der Universität Wien infizierten sich am meisten Menschen in Oberösterreich, Tirol, der Steiermark und Kärnten. In diesen vier Bundesländern erkrankten mit 11 bis 15 Menschen pro 100.000 Einwohnern doppelt so viele wie im gesamtösterreichischen Durchschnitt.
Links:
- Georg Duscher, Institut für Parasitologie
- Institut für Virologie, Uni Wien
- Frühsommer-Meningo-Enzephalitis
- Borreliose
Ö1 Sendungshinweis:
Über die Viren- und Bakterienbelastung von Zecken berichten auch die Ö1 Nachrichten.
'Hotspots' mit infizierten Zecken
Georg Duscher beschäftigt sich seit 2012 mit Zecken. Er analysiert diese blutsaugenden Milben auch hinsichtlich der Krankheitserreger, die sie bei einem Stich an das Wirtstier bzw. den Menschen weitergeben können. Dennoch fällt es auch ihm schwer zu sagen, wie viele Zecken in Österreich das gefährliche FSME-Virus in sich tragen: "Wenn man einen 'Hotspot' findet, sind bis zu zehn Prozent der Zecken FSME-positiv. Das sind aber sehr kleine Gebiete, oft vergleichbar mit einem halben Fußballfeld. Ein paar Meter weiter findet man dann wieder gar keine infizierten Zecken."
Insgesamt würden wohl nicht mehr als ein bis zwei Prozent der Zecken das FSME-Virus in sich tragen, so der Experte. Ein Risiko einer FSME nach einem Zeckenstich lasse sich daraus aber nicht ableiten: "Das hängt nicht nur von der Virenbelastung des Tieres, sondern auch von der Konstitution des Gestochenen ab."
Bei vielen Menschen verläuft eine FSME mit banalen Symptomen wie Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen. In manchen Fällen kann das Virus aber das Gehirn infizieren, schwere neurologische Schäden können die Folge sein, in Einzelfällen sogar der Tod. Schützen kann man sich dagegen durch eine Impfung - ganz im Gegensatz zu der Borreliose, die ebenfalls durch Zecken ausgelöst werden kann.
Borreliose "stiefmütterlich behandelt"

Dania Richter
Borrelien sind in den Zecken auch viel weiter verbreitet als das FSME-Virus, Georg Duscher spricht von 30 Prozent bakterienbelasteter Tiere in Wien. Aber auch hier fehlen genaue Informationen: "Die Borreliose wurde in den letzten Jahren und Jahrzehnten in der Forschung fast stiefmütterlich behandelt." Man weiß auch nicht, wie viele Menschen in Österreich jährlich an einer Borreliose erkranken, weil sie im Unterschied zu einer FSME nicht meldepflichtig ist.
Eine Infektion erkennt man an einem roten Ring, der sich in den meisten Fällen rund um die Einstichstelle bildet. Wichtig ist bei einer Borreliose, dass sie schnell mit Antibiotika behandelt wird. Ansonsten droht eine Infektion mehrerer Organe durch die Bakterien.
Nach 12 Stunden ins Blut
Und noch einen Unterschied zum FSME-Virus gibt es: Während dieses sofort ins Blut übertritt, brauchen die Borrelien dazu zwölf Stunden. Deshalb sei es besonders wichtig, eine Zecke sofort zu entfernen, betont Georg Duscher: "Am besten ist es, wenn man das Tier ganz nahe an der Einstichstelle etwa mit einer Pinzette nimmt und mit einer ruckartigen Bewegung entfernt."
Herausdrehen lasse sich der Blutsauger nicht, weil der Rüssel kein Gewinde habe. Der Parasitologe rät auch grundsätzlich von alten "Hausmitteln" wie Öl und Klebstoff ab: "Zecken können mehrere Wochen unter Wasser überleben, eine Zecke zu ersticken ist deshalb ein äußerst langwieriges Unterfangen."
Keine Auswirkungen des milden Winters
Dass der milde Winter und warme Frühling zu einer besonders "heftigen" Zeckensaison führen werde, hält Duscher für wissenschaftlich nicht haltbar: "Der Lebenszyklus der Zecken geht über mehrere Jahre, ein einzelnes Ereignis wie ein milder Winter hat nahezu keine Auswirkungen." Auch das Gerücht, dass die Zecken aufgrund der hohen Temperaturen heuer früher aufgewacht und deshalb verhungert seien, sei schlicht "eine Mär: Zecken können mehrere Jahre ohne Nahrung leben, wenige Wochen sind völlig irrelevant."
Und noch ein letztes, im Internet kursierendes Gerücht möchte er aus der Welt schaffen: Es stimmt nicht, dass Zecken in über 1.000 Metern Seehöhe nicht FSME-infiziert sind. In der Milch einer Ziege, die nicht unter diese Höhe gekommen war, wurde der Erreger gefunden. Hier könnte es einen Zusammenhang mit dem Klimawandel geben. Denn es könnte sein, dass die die Parasiten nun aufgrund der höheren Temperaturen mit ihren Wirtstieren weiter hinaufwandern, erklärt der Zeckenforscher - seriös behaupten könne man das aber noch nicht.
Elke Ziegler, science.ORF.at