Haben Sie schon mal einen Profi-Pokerspieler im Moment des Turniergewinns gesehen? Bei uns Normalverbrauchern würde all die Anspannung sichtbar abfallen, und wir würden jubeln angesichts des Batzen Geldes, den man als Sieger einstreift. Doch im Gesicht der Pokerspieler passiert: nichts. Sie sind so darauf trainiert, ihre Emotionen zu verbergen, dass ihre gefrorene Mimik auch im Moment des Triumphes nicht aufzutauen vermag.
Auch das Umgekehrte, das Vortäuschen von Gefühlen, ist alles andere als einfach. Wie Leanne ten Brinke von der University of California, Berkeley, herausgefunden hat, muss ein versierter Lügner seine Gesichtsmuskeln gut im Griff haben. Das gilt besonders für Krokodilstränen.
Verräterische Hast
Beim freudigen Gesichtsausdruck beherrschen zwei Muskeln das Geschehen: Der Jochbeinmuskel zieht den Mundwinkel nach oben und der Augenringmuskel schiebt die Haut rund um die Augen zusammen, sodass die bekannten Krähenfüßchen erscheinen. Bei negativen Gefühlen ist die Mimik deutlich komplizierter. Und an deren Rekonstruktion scheitern Lügner immer wieder, wie ten Brinke im Fachblatt "Law and Human Behavior" schreibt.
Die Psychologin ließ Studenten zwei Geschichten erzählen - ein Erlebnis, das sie aufrichtig bereuten, und eines, bei dem das nicht der Fall war. Die Vorgabe lautete, jedoch in beiden Fällen Reue zu zeigen.
Ten Brinkle zufolge machten sich die Lügner durch relativ hastiges Sprechen und ruckartige Gefühlsübergänge im Gesicht bemerkbar. Bei jenen, die die Wahrheit sprachen, bewegte sich der Stimmungsbarometer deutlich gemächlicher.
Oft nur unbewusst erkennbar
Soweit die gute Nachricht. Die schlechte Nachricht ist allerdings: Beim Erkennen der Lüge scheint uns das Bewusstsein im Weg zu stehen.
Laut ten Brinkles letzter Studie im Magazin "Psychological Science" sind Testpersonen beim Erkennen der Unwahrheit oft kaum besser als der Zufall, weil sie sich von Stereotypen der Körpersprache blenden lassen. So einfach wie bei Pinocchios Nase ist es offenbar nicht. Erstaunlicherweise sind die gleichen Probanden deutlich erfolgreicher, wenn sie nur ihr Unbewusstes sprechen lassen.
Ten Brinkle spielte ihren Testpersonen Polizeiinterviews auf Video vor und bat sie danach um Wortassoziationen: Wahre Aussagen ließen unter anderem Wörter wie "ehrlich" und "verlässlich" aus dem unbewussten Sprachschatz auftauchen, falsche Aussagen indes evozierten Vokabel wie "hinterlistig" und "unredlich".
Blick in die Augen
Nur: Was hat man davon, wenn man sich derlei nicht bewusst machen kann? Die niederländische Psychologin Mariska Kret bietet eine Lösung an. Sie hat kürzlich herausgefunden, dass sich die Pupillen beim Lügen vergrößern.
Dass die Augen etwas über das Seelenleben aussagen, wusste man schon bisher. Sexuelle Erregung erweitert etwa die Pupillen, ähnliches gilt für negative Gefühle wie Angst und Ärger. Letzteres sei auch der Grund, weshalb sich die Unwahrheit auf diese Weise bemerkbar macht, sagte Kret kürzlich gegenüber dem Magazin "New Scientist": "Lügen sind immer mit ein bisschen Stress verbunden."
Das deckt sich auch mit den Erkenntnissen von Anita Kelly von der University of Notre Dame. Kleine Sünden bestraft der liebe Gott bekanntlich umgehend: Unehrliche Menschen leiden laut Kelly häufiger unter Angstzuständen, Kopfschmerzen und Halsweh.
Robert Czepel, science.ORF.at
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