Im Film "Das große Fressen" aus dem Jahr 1973 beschließen vier Freunde durch exzessive Schlemmerei Selbstmord zu begehen. Das Vorhaben gelingt: Der eine stirbt an Flatulenz, der andere nach dem Konsum einer Pastetentorte und der dritte an einer Überdosis Pudding.
Nicht, dass Regisseur Marco Ferreri mit seiner Groteske Kritik am westlichen Ernährungsstil hätte üben wollen. Gleichwohl würde sich der Filmtitel auch als Überschrift für Statistiken im medizinischen Fach eignen. In westlichen Konsumgesellschaften ist nämlich die kalorische Überdosis längst Normalmaß. Sie schlägt sich in Form von "Lebensstilkrankheiten" nieder, Bluthochdruck, Schlaganfall und Herzinfarkt gelten mittlerweile als Todesursache Nummer eins.
Daher wird uns von der Medizin Mäßigung anempfohlen. Studien an Fadenwürmern, Mäusen und Fruchtfliegen scheinen überdies zu bestätigen: Fasten verlängert das Leben. Auch wenn derlei Ergebnisse nicht eins zu eins auf den Menschen umzulegen sind, bleiben sie bedenkenswert. Speziell die Studien an Mäusen, mit denen wir mindestens 95 Prozent aller Gene im Erbgut teilen.
Studien
"Impact of caloric restriction on health and survival in rhesus monkeys from the NIA study", Nature (29.8.2012; doi: 10.1038/nature11432).
"Caloric restriction reduces age-related and all-cause mortality in rhesus monkeys", Nature Communications (1.4.2014, doi: 10.1038/ncomms4557).
Widersprüchliche Studien
Nicht in dieses Konzept passt da eine Studie, die vorletztes Jahr im Fachblatt "Nature" erschienen ist. Forscher um Julie A. Mattison vom US-National Institute on Aging (NIA) hatten Makaken auf Schmalkost gesetzt, 23 Jahre lang. Die Kalorienreduktion wirkte sich zwar gesundheitlich aus, die fastenden Affen waren dünner, hatten bessere Cholesterinwerte und weniger Triglyceride im Blut. Aber älter als ihre Artgenossen wurden sie nicht.
Zu einem anderen Ergebnis kommt nun eine Untersuchung von Rozalyn Anderson. Die Biochemikerin von der University of Wisconsin hat ebenfalls Makaken eine Langzeitdiät verordnet, in diesem Fall sogar für 25 Jahre. Wie Anderson mit ihrem Team im Journal "Nature Communications" schreibt, reduzierte das Diätprogramm (minus 30 Prozent Kalorien im Vergleich zur Kontrollgruppe) das Krankheitsrisiko um den Faktor 2,9, das Sterberisiko um den Faktor drei.
Da von den 76 Versuchstieren noch viele am Leben sind, lässt sich der Gewinn an Lebensjahren nur abschätzen. Er liegt, je nach Berechnungsmethode, bei drei bis fünf Jahren. Nicht unbeträchtlich, nachdem Makaken in Gefangenschaft (ohne Diät) ca. 26 Jahre alt werden.
Wie viel Kalorien braucht ein Affe?
Die Frage ist nun: Welches Forscherteam hat recht? Anderson hat sich die Daten der anderen Langzeitstudie angesehen und kommt zu dem Schluss, dass dort auch die Kontrollgruppe relativ wenig zu essen bekam. Die NIA-Forscher hätten im Grunde eine moderate mit einer strengen Diät verglichen, schreibt sie.
Für ihre Interpretation könnte sprechen, dass in der früheren Studie die Makaken beider Gruppen ungewöhnlich lange lebten. Ein Tier aus der Kontroll- sowie vier aus der Diätgruppe erreichten gar ein rekordverdächtiges Alter von mehr als 40 Jahren. "Daher ergibt es für mich keinen Sinn zu behaupten, die Kalorienreduktion habe keine Wirkung", so Anderson.
Womit noch nicht geklärt ist, wie viel Kalorien ein "normaler" Affe überhaupt braucht. In Andersons Versuchen durften die Makaken aus der Kontrollgruppe so viel fressen, wie sie wollten, was wiederum zu viel des Guten sein könnte. Eine salomonische Deutung könnte lauten: Im Vergleich zum großen Fressen bringt der Verzicht Lebensjahre, im Vergleich zu einem moderaten Lebensstil bloß ein schöneres Blutbild.
Robert Czepel, science.ORF.at
Mehr zu diesem Thema: