Viele Tiere haben die Fähigkeit, einen Rückwärtsgang einzulegen. Dabei handelt es sich aber nicht einfach um eine Umkehrung der Vorwärtsbewegung, beim Menschen etwa arbeitet die Hüftmuskulatur in den beiden Bewegungsrichtungen jeweils anders.
Die beim Rückwärtsgehen beteiligten neuronalen Schaltkreise seien aber noch nicht gut verstanden, schreiben die Forscher um Barry Dickson im Fachblatt "Science".
Fliegen auf der Wärmeplatte
Dickson ist im Vorjahr vom Wiener Institut für molekulare Pathologie (IMP) zum "Janelia Farm Research Campus" in Virginia (USA) gewechselt. Der frühere IMP-Chef und Salil Bidaye, mittlerweile an der University of California in Berkeley beschäftigt, haben noch am IMP jene Nervenzellen identifiziert, die das Umschalten vom Vorwärts- in den Rückwärtsgang steuern.
Sie verwendeten dazu eine neue, "Thermogenetik" genannte Technologie, mit der sie rund 3.500 verschiedene Fliegenstämme untersuchten.
Die Studie
"Neuronal Control of Drosophila Walking Direction", Science (3.4.2014, doi: 10.1126/science.1249964).
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Nach dem Wärmereiz legt die Fliege den Rückwärtsgang ein (rechts).
(c) IMP
Dabei werden einzelne Nervenzellen genetisch so verändert, dass sie auf Temperaturveränderung mit einem Aktivitätsschub reagieren. Dickson und seine Mitarbeiter setzten die Fliegen mit modifiziertem Erbgut auf eine Wärmeplatte - und warteten auf entsprechende Reaktionen.
Auf diese Weise entdeckten sie vier Fliegenstämme, die bei Hitzeaktivierung rückwärts marschierten. In Folge fanden sie zwei dafür verantwortliche Nervenzellen.
Vorbild für Roboter
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Retourgang in Zeitlupe
(c) IMP
Offenbar gibt es davon zwei Typen, aufsteigende ("Moonwalker Ascending Neurons", MAN) und absteigende ("Moonwalker Descending Neurons", MDN). Während die MDN im Gehirn der Fliege sitzen, befinden sich die MAN im vorderen Nervenstrang, dem Äquivalent zum Rückenmark bei Wirbeltieren.
"Wenn wir mit Hilfe eines Toxins verhindern, dass MDN aktiv ist, kann die Fliege nicht rückwärtsgehen, wenn wir sie aktivieren, geht sie rückwärts", erklärte Dickson. MDN sei die Verbindung zwischen den neuronalen Schaltkreisen, die etwa ein Hindernis oder Gefahr signalisieren, und den lokalen Bewegungs-Schaltkreisen, die die Beine rückwärts bewegen lassen.
Dagegen verstehen die Forscher die Funktion der MAN noch nicht. Deren Aktivität scheint jedenfalls die Vorwärtsbewegung zu hemmen, "Fliegen, in denen sowohl MDN als auch MAN aktiv sind, können praktisch nicht mehr vorwärtsgehen", so Dickson.
Für die Wissenschaftler bieten die "Moonwalker Neuronen" einen Zugang für weitere Studien über die Bewegungskoordination bei Fliegen. Bidaye verweist in einer Aussendung des IMP auch auf mögliche Anwendungen der Erkenntnisse für die Robotik. Das robuste Gangverhalten von Insekten dient Roboter-Entwicklern als Vorbild, ist aber bisher unerreicht. Wenn man die Grundlagen des Insektengangs besser verstehe, so Bidaye, könnte dies auch in diesem Bereich neue Impulse liefern.
science.ORF.at/APA
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