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Eine junge afrikanische Frau bestellt den Boden.

"Bauern zu Verhandlungspartnern machen"

Sie sind arm, von den Vorgaben der Händler abhängig und können von den Erträgen ihres Bodens kaum leben. Dieses Bild von kleinen Bauern stimme zwar noch immer für Teile Afrikas und Asiens, es müsse aber nicht so sein, erklärt BOKU-Forscher Michael Hauser. Er zeigt, wie aus Bittstellern selbstbewusste Verhandlungspartner werden können.

Internationale Entwicklung 07.05.2014

Der Kampf zwischen landwirtschaftlicher Industrialisierung und nachhaltiger Entwicklung sei seiner Einschätzung nach in Afrika noch nicht entschieden, wenn auch der erste Ansatz derzeit zu dominieren scheint. Warum mit Vitamin A angereicherter "Golden Rice" seiner Meinung nach kein Beitrag in Richtung Ernährungssicherheit ist, erklärt er im Interview mit science.ORF.at.

science.ORF.at: In Österreich sperren jährlich rund 4.200 landwirtschaftliche Betriebe zu, in Europa geht der Trend in den letzten Jahrzehnten massiv in Richtung Großbetriebe. Wie ist die Situation in Afrika und Asien?

Michael Hauser

Lorenz Probst

Michael Hauser leitet das Zentrum für Entwicklungsforschung an der Universität für Bodenkultur in Wien. Seine Forschungsschwerpunkte sind Agrarökologie, biologischer Landbau, Innovationsforschung und Entwicklungszusammenarbeit.

Konferenz

Die Konferenz "Growing together. Family farming and agricultural sciences transforming world food Systems" fand am 6. und 7. Mai 2014 in Wien statt. Die Veranstaltung war gleichzeitig auch die Jahresversammlung von Agrinatura, einem Dachverband von Forschungs- und Bildungseinrichtungen mit Fokus landwirtschaftliche Entwicklung.

Ö1 Sendungshinweis

Einen Beitrag zum Thema sendete auch "Wissen Aktuell" am 7. Mai 2014 um 13.55 Uhr.

Links:

Michael Hauser: Grob kann man sagen: Was in Europa seit den 50er Jahren passierte, geschieht nun auch in vielen Ländern Afrikas und Asiens. Menschen verlassen die Landwirtschaft, weil sie zu wenig Geld verdienen, sie ziehen in die Städte auf der Suche nach einer anderen Arbeit und landen, wenn sie keinen Job finden, in den Slums. Die Jugend verlässt den Betrieb der Eltern auf der Suche nach einem anderen Leben. Sie wollen Zugang zum Internet, eine andere Ausbildung, mehr Geld. Landwirtschaft hat also die wichtige soziale Funktion, Menschen auf dem Land zu halten und Lebensmittel zu produzieren - nicht nur für sich selbst, sondern auch für die wachsenden Städte.

Landwirtschaft war doch immer ein Schwerpunkt der Entwicklungshilfe. Warum sehen dann nicht mehr Menschen darin eine Perspektive?

Das ist nicht richtig. Die Landwirtschaft wurde als Thema seit den 80er Jahren sehr vernachlässigt, zum einen von der internationalen Gemeinschaft, zum anderen von den Entwicklungsländern selbst. Landwirtschaft hat derart von Priorität verloren, dass es eine Nahrungsmittelpreiskrise in den Jahren von 2007 bis 2009 gebraucht hat, um alle Akteure aufzuwecken. Erst die steigenden Preise für Grundnahrungsmittel haben insbesondere den afrikanischen Staaten drastisch vor Augen geführt, dass es ohne Eigenversorgung keine Ernährungssicherheit geben kann.

Wie kann man sich denn die kleinen Bäuerinnen und Bauern vorstellen? Welches Leben führen sie?

Das kommt natürlich immer auf die Region an, aber wir arbeiten mit vielen Menschen in Afrika und Asien, die oft unter sehr prekären Bedingungen leben. Sie führen zwar eine Landwirtschaft, bei uns würde man sie aber als "Nebenerwerbsbauern" bezeichnen, weil sie davon nicht leben können und zusätzlich Taxifahrrad fahren, Ziegel herstellen, auf größeren Farmen helfen. Manche betteln sogar um Nahrungsmittel.

Welche Art von Unterstützung ist sinnvoll?

Sie brauchen - ganz generell - Unterstützung beim Übergang zu einer nachhaltigen Form des Wirtschaftens. Dazu braucht es landwirtschaftliche Beratung, Forschung, und natürlich braucht es auch Bäuerinnen und Bauern, die die Möglichkeit haben, diese Umstellung durchzuführen, was in von Hunger und Armut geprägten Regionen sehr schwer möglich ist.

Wie kann es dann funktionieren?

Beispiel Äthiopien: Das dortige Hochland wird von kleinen Bäuerinnen und Bauern bewirtschaftet. Sie nutzen einen Hektar, manchmal weniger, das Land ist im Besitz des Staats. Um nicht alle Produkte für die Eigenversorgung aufzubrauchen, sondern auch etwas verkaufen zu können, muss die Produktivität gesteigert werden. Gleichzeitig muss aber der Boden vor zu starker Beanspruchung geschützt werden. Die Umstellung hat einen Preis, konkret braucht es bis zu 15 Prozent der Fläche, die für eine Saison für die Bewirtschaftung ausfallen. Das können sich aber viele Bauern nicht leisten. Ein Teil der Lösung könnten "smart subsidies" sein: Die Bauern bekommen eine finanzielle Entschädigung für den Ertragsentgang.

Ein zweites Beispiel: Im Rahmen eines Projekts in Uganda haben wir die Machtverhältnisse buchstäblich auf den Kopf gestellt. Die Ausgangslage war, dass die Händler auf das Feld kamen und den Bauern einen Preis geboten haben. Die Bauern waren uninformiert hinsichtlich der aktuellen Marktpreise und haben nahezu alles akzeptiert. Gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen Organisationen haben wir die Bauern dazu ausgebildet, selbst die Marktpreise zu erheben, an die Gemeinschaft zu kommunizieren und gemeinsam zu entscheiden, zu welchen Preisen in der nächsten Saison die Produkte angeboten werden. Dieser Ansatz wird mittlerweile in Ostafrika auf sehr breiter Ebene umgesetzt.

Wie werden die Preise denn erhoben?

Dabei spielt das Mobiltelefon eine ganz zentrale Rolle. Es gibt in Ostafrika einen SMS-Dienst, der den Bauern die aktuellen Preise für Feldfrüchte auf das Handy schickt. Wenn Bauern als Gruppe organisiert sind, zücken sie in Verhandlungen mittlerweile meist das Telefon und verhandeln eigenständig ihren Preis. In manchen Fällen hat es auch schon dazu geführt, dass sich Bauern neue Händler gesucht haben, weil sie mit den angebotenen Preisen nicht zufrieden waren. Das ist eine Form von Ermächtigung, die es braucht, um eigenständige landwirtschaftliche Entwicklung zu unterstützen.

Stichwort "Golden Rice", also mit Vitamin A angereicherter Reis: Ist es in Ihren Augen sinnvoll, Ernährungsmängel durch gentechnische Veränderungen an Pflanzen auszugleichen?

Das Anliegen hinter dem "Golden Rice" ist gut und richtig, ist stelle mir aber - den gesamten Diskurs um gentechnisch veränderte Pflanzen außer Acht lassend - folgende Frage: Ist das der richtige Weg zur Bekämpfung von Mangelernährung? Wie schaffen es Menschen, sich ausgewogen zu ernähren? Sicher nicht über Nahrungsmittelzusätze, sondern indem sie Zugang zu einer reichhaltigen Lebensmittelpalette haben. Bevor wir eine technologische Lösung anstreben, ist die Grundsatzfrage der Machtverteilung im Nahrungsmittelsystem zu stellen.

Im Konferenzprogramm wird die Unterstützung für "Familiy Farming" auch als Beitrag zur Ernährungssicherheit eingeführt. In den Industrieländern heißt es aber immer wieder, dass ohne landwirtschaftliche Großbetriebe die derzeitige Versorgung mit Lebensmitteln nicht aufrechterhalten bliebe ...

Die Form der Landwirtschaft wird immer auf Basis der Rahmenbedingungen entschieden. Es gibt Regionen im südlichen Afrika, in Mozambique beispielsweise, wo großflächige Landwirtschaft möglich und sinnvoll ist, wenn sie nachhaltig ist. In den Hochflächen Burundis, Ruandas und des Südwesten Ugandas ist diese Art der Landwirtschaft eine Illusion. Die Entscheidung muss immer vor diesen Rahmenbedingungen fallen. Und jene Menschen, die behaupten, dass kleinbäuerliche Landwirtschaft weniger produktiv ist, sitzen einem Mythos auf. Aus dem Südosten Chinas wissen wir, wie produktiv kleinbäuerliche Strukturen beim Reisanbau sein können.

Welche Perspektive sehen Sie denn für die Landwirtschaft Afrikas?

Sie ist derzeit von großen Strukturveränderungen betroffen. Flächen werden zusammengelegt, ausländische Investoren machen sich große Flächen zu eigen - Stichwort "Land grabbing". All diese Veränderungen führen zu Mechanisierung. Auf fragilen Böden braucht es aber eine andere Art der Mechanisierung als die, die wir aus Europa und den USA kennen. Der Trend zu Mechanisierung nach europäischem Modell ist deshalb zum Scheitern verurteilt. Man braucht eine Intensivierung, die autochton afrikanisch ist. Auch deshalb braucht es auch eine Unterstützung für kleinbäuerliche Landwirtschaft, weil sie flexibler auf sich ändernde Rahmenbedingungen reagieren kann.

Wie sehen Sie die Chance auf Realisierung?

Die politische Entwicklung geht momentan in eine sehr konträre Richtung. Seitens der Afrikanischen Union und des afrikanischen Entwicklungsprogramms steht die Intensivierung der Landwirtschaft im Vordergrund. Da geht es in erster Linie darum, dass Afrika sich selbst ernähren können muss - koste es, was es wolle. Die andere Denkschule betont die Notwendigkeit landwirtschaftlicher Entwicklung, allerdings nur unter Berücksichtigung ökologischer Kreisläufe. Dieser politische Streit ist noch nicht ausgefochten - momentan scheint es so zu sein, dass der Zug sehr stark in Richtung nachholender landwirtschaftlicher Industrialisierung fährt. Aber noch ist nicht aller Tage Abend.

Interview: Elke Ziegler, science.ORF.at

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