Das ergab eine Studie von Medizinern der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore, die die Wirkung des sekundären Pflanzenstoffs an knapp 800 Bewohnern der Region Chianti in Italien überprüft haben und keine Unterschiede hinsichtlich Herz-Kreislauf-Erkrankungen, chronischer Entzündungen und Krebses feststellen konnten.
Schutz für die Zellen
Die Studie
"Resveratrol in Red Wine, Chocolate, Grapes Not Associated With Improved Health" ist am 12. Mai 2014 im Fachmagazin "JAMA Internal Medicine" erschienen (DOI:10.1001/jamainternmed.2014.1582).
Man nennt es das "Französische Paradoxon": Das Essen der Franzosen gestaltet sich gemeinhin nicht nur üppig, sondern auch reich an gesättigten Fettsäuren - Gift für die Gefäße, möchte man meinen. Dennoch liegt in Frankreich die Rate an Herz-Kreislauf-Erkrankungen unter jener in vergleichbaren westeuropäischen Ländern. Erklärt wurde dieses Phänomen vor allem mit dem regelmäßigen Rotweinkonsum und dem im Wein vorhandenen Resveratrol.
Dieser unter anderem in Weintrauben vorhandene sekundäre Pflanzenstoff wirke antioxidativ, also die Zellen schützend, hieß es - und diese Behauptung wurde auch in Studien nachgewiesen. Einziger Haken: Bei diesen Untersuchungen handelte es sich um Zell- oder Tierstudien. Der Nachweis am Menschen blieb auch deshalb aus, weil erst vor wenigen Jahren eine Methode zur exakten Bestimmung des Resveratrolkonsums entwickelt wurde: Dabei misst man die Konzentration der Stoffwechselprodukte des Weininhaltsstoffs im Urin.
Kein Zusammenhang
Mit dieser Methode wollten die Forscher um den Mediziner Richard Semba die Hypothese überprüfen, ob Resveratrol tatsächlich gut für die Gesundheit ist. Dazu analysierten sie im Rahmen regelmäßiger Stichproben den Urin von 783 Männern und Frauen, die an der Studie "Altern in der Chianti-Region" teilnahmen.
Über neun Jahre erhoben die Mediziner den Gesundheitszustand der Versuchspersonen, setzten die Menge von Resveratrol in Beziehung und erwarteten, dass die Gesundheit umso besser wäre, je mehr Stoffwechselprodukte nachweisbar waren. Allein: Der Zusammenhang zeigte sich nicht. Weder bei jenen, die im Untersuchungszeitraum starben, noch bei den erkrankten Versuchspersonen ließ sich ein Zusammenhang zu einem niedrigen Resveratrollevel herstellen - genauso wenig, wie sich bei den gesunden Menschen ein hoher Spiegel nachweisen ließ. Als Krankheiten definierten die Forscher chronische Entzündungen, Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Großes Geschäft
"Im Gegensatz zu all unseren Hypothesen zeigte sich keinerlei Zusammenhang", stellen die Mediziner angesichts der ihres Wissens ersten großen epidemiologischen Studie zu dieser Frage überrascht fest - nicht ohne auf das Geschäft hinzuweiden, das mittlerweile mit dem von Resveratrol als Lebensmittelzusatz gemacht wird: Allein in den USA werden damit laut Studie 30 Millionen US-Dollar umgesetzt. Das "Französische Paradoxon" bleibt damit freilich ungelöst und harrt neuer Erklärungsversuche.
Elke Ziegler, science.ORF.at