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Einer der Schädel aus der Sima de los Huesos

Die Wurzeln der Neandertaler

Atapuerca in Spanien ist eine der wichtigsten Fundstätten menschlicher Fossilien in Europa. Paläontologen haben dort nun 17 Schädel einer einzigen Hominidenart untersucht. Die über 400.000 Jahre alten Knochen tragen sowohl Eigenschaften von Neandertalern als auch von noch früheren Urmenschen.

Paläontologie 20.06.2014

In den Höhlen der Sierra de Atapuerca, nahe Burgos in Nordspanien, wimmelt es von menschlichen Fossilien. Die Fundstätte "Sima de los Huesos" gilt überhaupt als einzigartig. "Seit 1984 wird in ihr ständig ausgegraben", sagt Ignacio Martinez, Paläontologe an der Universität von Alcalá und Ko-Autor einer aktuellen Studie. "Nach 30 Jahren haben wir 7.000 menschliche Fossilien entdeckt, die von zumindest 28 Individuen stammen und alle Skelettregionen umfassen."

Die Studie:

"Neandertal roots: Cranial and chronological evidence from Sima de los Huesos" von Juan-Luis Arsuaga und Kollegen ist am 19.6. in "Science" erschienen.

Es begann mit dem Kauapparat

In der üppigen Sammlung befinden sich auch 17 Schädel, von denen die Forscher sieben zum ersten Mal untersucht haben. Die Knochen sind 430.000 Jahre alt, einige von ihnen sind nahezu vollständig erhalten.

"Jahrzehntelang wurde diskutiert, wie die Neandertaler entstanden sind. Hat sich sein ganzer Schädel auf einmal verändert oder ist das in mehreren Etappen erfolgt?", fragt Martinez in einer Aussendung.

Einer der Schädel aus der Sima de los Huesos in Atapuerca

Javier Trueba - Madrid Scientific Films

Einer der Schädel aus Fundstätte "Sima de los Huesos"

Der Vergleich der Schädelknochen konnte diese Frage beantworten, denn er zeigte ein durchgängiges Muster: Während Gesicht und Zähne allesamt Merkmale von Neandertalern haben, ist das in anderen Schädelregionen nicht der Fall. Der Gehirnschädel etwa sieht eher aus wie bei älteren Frühmenschen.

Der Schluss der Forscher: Der Neandertaler hat sich in mehreren Schüben entwickelt. Die für Neandertaler typischen Eigenschaften betrafen vor allem den Kauapparat. Offenbar war er es, der am Anfang der Neandertaler-Entwicklung gestanden ist.

Eine eigene Art?

Aufgrund der verschiedenen Schädelmerkmale ist die Forschergruppe vorsichtig bei der Frage, um welche Art es sich handelt. Andere Paläontologen haben sie in der Vergangenheit direkt den Neandertalern zugeordnet. Martinez und seine Kollegen sprechen lieber vom gleichen "Neandertaler-Stamm", aber von einer anderen Linie. Ob es sich um eine eigene Art handelt, sei "derzeit eine offene Frage".

Was die Forscher überrascht hat, war die große anatomische Ähnlichkeit der 17 untersuchten Schädel. Fossilfunde aus anderen Gegenden zur gleichen Zeit schauen anders aus und passen nicht in das Muster von Atapuerca. Und das spreche für mehrere, parallel existierende Linien in Europa.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at

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